Montag, 6. Dezember 2010

5. Hit! - Softair im Wald

Als ich am nächsten Morgen durchgeschwitzt erwachte, ging ich zuerst unter die Dusche, bevor ich mich an den, wie auch anders möglich, reichlich gedeckten Frühstückstisch setzte. Eric war schon wach und saß über einem Schokoladenbrötchen. Johnny hingegen schlief noch, und dabei war es schon um 10 Uhr morgens!
Aber wenn ich ehrlich war, so war ich normalerweise auch ein Langschläfer und es war meinen Träumen geschuldet, dass ich heute so schlecht geschlafen hatte.
Eric erzählte mir ganz begeistert, dass er heute den alten Dachboden durchstöbern wollte und hoffte unter anderem das alte Porträt zu finden, was unseren Ururgroßvater in der Kaisergarde zeigte. Ich hätte gerne mitgemacht, aber ich ließ mich nicht dazu hinreißen mein Studienzeug zu vernachlässigen. Also unterhielt ich mich eine Weile mit meiner Oma, über den Winter und die Verwandtschaft - und holte mir dann meinen Hefter für Mathematik (für Biologen) und setzte mich aufs Sofa um zu lernen. Eric handelte währenddessen mit Oma aus, dass er den Speicher durchwühlen dürfte und so ging er, um Johnny zu wecken und den Dachboden unsicher zu machen. Mir war das ganz recht, denn auf die Art und Weise konnte ich mich dem Lernen widmen, wenigstens eine Weile.

Denn schon nach einer halben Stunde kamen Eric und Johnny, der aufs Frühstücks verzichtet hatte, ins Wohnzimmer gestürmt und schwenkten triumphierend zwei Pistolen und ein Gewehr über ihren Köpfen. „Was soll das denn sein. Ist das etwa von Stefan, unserem Cousin?“, wollte ich wissen.
Unser Cousin war nämlich schon über Dreißig und hatte eine Zeit lang bei der Bundeswehr gearbeitet und in der Zeit bei meinen Großeltern gewohnt. Johnny nickte strahlend, reichte mir eine Pistole und meinte: „Guck mal, wie schwer die ist!“
Vorsichtig nahm ich die kalte Waffe in die Hand und untersuchte sie. Wie mir sofort klar wurde, handelte es sich bei dem Teil um eine Softairwaffe, mit der man kleine Plastikkugeln verschießt. Eric grinste: „Diese Pistole hier ist eine P8. Die Standartwaffe der Bundeswehr. 9 mal 19 mm Kaliber. 770g ungeladenes Gewicht.“
Mein Bruder war ein begeisterter, und dazu begnadeter, Shooterspieler und musste natürlich damit angeben, dass er wusste, was die Spielzeugwaffe darstellte. Möglicherweise hatte ich sie auch schon einmal in einem Computerspiel gesehen, auch wenn ich mich da nicht so auskannte, wie mein Bruder.
Natürlich interessierte mich, was meine Brüder mit den Sachen meines Cousins vor hatten: „Und was wollt ihr jetzt damit? Nachbars Katze abknallen?“
Eric stöhnte. „Natürlich nicht, Schwachhirn. Wir gehen gleich in den Wald. Und wenn ich wir sage, meine ich auch dich.“
Ich wollte mir eine Ausrede einfallen lassen und auf die Gefährlichkeit dieses „Sports“ hinweisen, aber Eric ließ mich erst gar nicht dazu kommen. „Vergiss es Brüderchen. Wir haben hier die Schutzbrillen und dann ist es völlig ungefährlich. Also zieh dich an und komm mit. Wir haben uns schon eine Art überlegt, wie das funktioniert...“

Irgendwie genervt und trotzdem dankbar für die Abwechslung zog ich meine Winterstiefel, Jacke und Handschuhe an und folgte meinen Brüdern nach draußen. Eric hatte die drei Softairs in eine Tasche gepackt, damit wir nicht zu sehr auffallen würden. Johnny gab die Richtung an: „Ich weiß wo wir hingehen. Ich erinnere mich an einen coolen Hang mit einer Hütte und einer kleinen Höhle in der Nähe. Da wollte ich schon immer mal wieder hin.“
Wir folgten ihm, während Eric mir die Regeln des Softairspielens erklärte. „Es läuft so ab. Alle starten am gleichen Punkt und verstecken sich dann. Wenn alle laut „ready“ rufen geht es los. Wer getroffen ist, ruft „hit!“ und ist raus und muss zu dem Baum zurück, den wir als Startpunkt ausgemacht haben. Dort muss er seine Waffe ablegen und warten, bis die anderen wiederkommen. Dann hat logischerweise einer am Ende gewonnen...“
Ich ließ mir unterwegs zeigen, wie man die gelben Kügelchen ins Magazin steckte, durchzog und abschoss. Die kleinen Kugeln hatten eine ganz schöne Geschwindigkeit und einen ordentlichen Zug drauf und man konnte bis vierzig Meter weit damit schießen.

Wir mussten eine ganze Weile durch den Schnee im Wald stapfen, bis wir das Waldstück erreichten, das Johnny gemeint hatte. Die alten Bäume boten selbst im Winter ausreichend Deckungsmöglichkeiten und so waren wir auch schon bald so weit und begannen unser Spiel - natürlich nur mit den Schutzbrillen, da die Augen sonst extrem verletzt werden könnten. Ich steckte mir meine Pistole in die Jackentasche und ging los.

Dummerweise würde man die Fußspuren im Schnee sehen können, also nahm ich mir vor, einen Bogen zu laufen und so meine Verfolger früh genug sehen zu können.
Ich war vielleicht hundert Meter weit gekommen, da ertönte das „Ready!“ von Eric und dann von Johnny. Ich antwortete mit „Ready!“ und das Spiel begann. Von nun an kroch ich nur noch gebückt über den Schnee. Meine Waffe war immer noch in meiner Jackentasche, denn ich brauchte die Hände um einen kleinen Hang nach oben zu klettern, von dem aus ich auf meine Brüder warten wollte.
Blöderweise war ich von uns dreien der einzige Brillenträger und so beschlug meine Brille unter dem Schal ständig. Ich hatte ihn mir ums Kinn gewickelt, da ich keine Lust hatte die Kugeln auf die nackte Haut zu bekommen. Ich war oben auf dem Hang angekommen und schlich hinter den Büschen umher.
Urplötzlich hörte ich das Knacken von Schritten, ohne zu wissen woher es kam und spürte dann einen stechenden Schmerz im Nacken.
Ich schrie auf und drehte mich um. Einen solchen Schmerz hatte ich von den Kugeln gar nicht erwartet. Der Schmerz im Nacken ließ einfach nicht nach und ich spürte ebenfalls einen brennenden Druck.
Ich musste nach unten blicken, um trotz der beschlagenen Brille, etwas sehen zu können und blickte auf eine schwarze Kapuze direkt neben mir. Zu meinem Schreck sah ich einen fremden Mann,der mich mit seinen kräftigen Fingern im Nacken gepackt hatte, so dass sich die Fingernägel in meine Haut bohrten. Ich schrie vor Panik und begann zu zittern. Leider konnte ich den Mann nicht erkennen, aber ich merkte sofort, dass das hier kein Spiel war, denn er schlug mir mit der anderen Hand so kräftig gegen die Brust, dass ich auf den Rücken stürzte.
Der Schnee fing meinen Fall auf und ich wollte wieder aufstehen, doch der Mann war auch schon über mir. Die Angst schoss in mir hoch und verbreitete sich in meinen Gedanken. Scheiße, was wollte der Kerl von mir?
Was soll das? Was wollen Sie?“, stammelte ich, während das Gesicht des Mannes langsam näher kam. Es waren stechend-grüne Augen und ein scharf geschnittenes Gesicht, das mich angrinste. Eine schneidende Stimme kam unter der Kapuze hervor, während sich sein Fuß auf meine Brust stellte: „Das hat mich dein dämlicher Freund auch gefragt. Aber dafür ist es jetzt zu spät. Ich weiß, woran ihr forscht!“
Ich versuchte mich unter der Last seines Stiefel wegzudrücken, aber ich hatte keine Chance. Er war viel zu stark. Seine Hand fuhr nach meiner Kehle und drückte sie zu, um mich vor weiteren Schreien abzuhalten. Die pure Panik durchfuhr meinen ganzen Körper und tausend Gedanken durchschossen meinen Kopf. Was konnte ich nur tun?
Ich rechnete fest damit, dass er mich gleich schlagen würde, denn er beugte sich weiter über mich. Plötzlich verzog sich sein Gesicht und ich konnte weiß blitzende, scharfe große Zähne im Mund erkennen; doch war die Bewegung zu schnell und ich konnte nicht richtig sehen, was passierte...

Knirschend löste plötzlich sich der Druck von meinem Hals und der Mann über mir wurde zur Seite gestoßen. Sofort atmete ich tief durch und schob die Brille nach unten, um mehr sehen zu können. Johnny stand auf einmal vor mir. Er hatte dem Kerl wohl einen Tritt verpasst und richtete nun die lebensechte P8-Nachbildung auf den Typen. „Verschwinde du Arsch! Wenn du nochmal meinen Bruder anfasst, bring ich dich um. Also verpiss dich, oder ich knall dich ab...!“

Es dauerte nur Sekunden, dann war der Angreifer nicht mehr zu sehen und verschwunden. Er rannte so schnell weg, dass ich gar nicht mitbekam wohin er verschwand. Johnny half mir auf und drehte die Softair in der Hand. „Scheiße, was war denn das?“, wollte er wissen.
Meine Knie zitterten und ich musste mich erst beruhigen. Meine Gedanken waren noch immer nicht klar. „Der Kerl hat mich niedergeschlagen und mir gedroht und mich gewürgt und ich weiß nicht, was er wollte.“
Johnny war offensichtlich ebenso aufgelöst ,wie ich. Wahrscheinlich konnte er nichtmal fassen, dass er gerade einen ausgewachsenen Mann mit einer Anscheinswaffe bedroht und davon gejagt hatte. „Mensch, war das krass. Wir müssen sofort Eric herrufen und von hier verschwinden.“, sagte er.

Lieber Blogleser, was würdet ihr in dieser Situation denken? Was wäre eure Erklärung dafür?
Bei mir hat es eine Weile gedauert, bis ich das alles einigermaßen sortieren konnte, auch wenn ich immer noch dabei bin es zu sortieren...

The Runner

1 Kommentar:

  1. Hi
    Schreibst du hier noch weiter? Meld dich mal: fani@fani.ch

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