Montag, 6. Dezember 2010

3. Wo ist Thoralf?

Es wird schon Dunkel draußen, während ich schreibe. Ich hoffe ich kann meine Geschichte heute noch zu Ende bringen...
Der vorher beschriebene Tag war nun schon einige Tage her. Thoralf hatte ich seit dem seltsamerweise nicht wieder gesehen. Möglicherweise war er ja krank, oder hatte sich einen Urlaub mitten im Semester gegönnt? Ich hätte ihn ja normalerweise gefragt, aber seltsamerweise war er auch nicht mehr online gewesen.
Ich fragte mich, ob er vielleicht eine Andeutung gemacht hatte, warum er nicht da war, aber ich konnte mich an nichts dergleichen erinnern. Ich war gerade in dem Mikrobiopraktikum und zupfte Pilze aus einer Petrischale, um sie unter dem Mikroskop zu zeichnen, als meine Banknachbarin Julia fragte: „Sag mal, hast du schon was neues von Thoralf gehört?“
Ich guckte entgeistert zu ihr hinüber: „Wieso, was soll denn sein?“
Na, das mit seiner Chemieklausur.“, war ihre knappe Antwort.
Scheiße“, zuckte es mir durch den Kopf. Der Junge hatte doch seine Chemieklausur zweimal ganz knapp in den Sand gesetzt und vor einem Monat seinen letzten Klausurversuch geschrieben. War er etwa schon wieder durchgerasselt?
Also, was ist denn mit der Klausur?“, wollte ich wissen.
Ich weiß es nicht, aber ich gehe davon aus, dass er durchgefallen ist. Er hat nämlich gesagt, dass er diesen Versuch nicht anzweifeln wird, sondern dann endgültig aufhört. Und er war ne Weile nicht da. Clara hat erzählt, dass sein Zimmer in der WG mittlerweile schon ausgeräumt ist.“
Krasse Sache! Er hatte mir gar nicht erzählt, dass er durchgefallen und exmatrikuliert ist. Und jetzt haut er einfach von hier ab, ohne mir Bescheid zu sagen? „Ist er etwa wieder zu seinen Eltern gezogen?“, fragte ich. Doch leider hatte Julia keine Antwort. Also vertagte ich die Gedanken auf später und konzentrierte mich auf meinen wunderschönen Absidia glauca-Pilz, dessen Sporangien, wie bei allen anderen Pilzen auch aus einem Kreis auf einem Stiel bestand. Kennt man einen, kennt man alle, war mein Gedanke, als ich den Pilz abzeichnete.

Als ich wieder zuhause war, schrieb ich Thoralf eine Email, um zu fragen, was er denn so machte. Dann öffnete das Skypefenster mit seinen Nachrichten, in der Hoffnung, dass er mir etwas geschrieben hatte. Ich durchsuchte das Protokoll und fand ganz unten nur zwei Smilies und einen Link.
Ich öffnete den Link, da ich vergessen hatte, wohin er führte und landete bei dem Vampireverarsche-Video von damals.
Ich wollte das Fenster gerade wieder schließen, da leuchtete mir in dicken roten Buchstaben in den Kommentaren der Post entgegen: Kommentare geschlossen!

Der letzte Post vor der Schließung der Kommentare war offensichtlich eine Antwort auf das, was Thorlaf geschrieben hatte, soviel war klar. Geschrieben war er von einem Dr. Wiki:
Lieber Kollege Haeckel, ihre Ausführung ist nur teilweise richtig.
Ich möchte sie am Beispiel des Lambda-Phagen näher erörtern. Die zirkuläre dsDNA hat komplementäre Enden, die sich nach Injektion schließen können, aber eigentlich für eine ortsspezifische Bindung in der Wirts-DNA gedacht sind. Das Interessante ist aber, dass es passieren kann, dass solch ein Virus statt der EIGENEN DNA, FREMD-DNA einbaut. Auf diese Weise kommt es zum horizontalen Gentransfer unter Bakterien, da diese DNA eingebaut wird. Der Virus bleibt solange lysogen (also untranskribiert), wie der Zustand der des Bakterium nicht zu wünschen übrig lässt. Erst wenn es extremen Stress gibt (Antibiotika, UV, Hunger...) wird die DNA geschädigt und dadurch auch der Repressor der Virus-DNA. Wird das Ganze repariert, so kommt es zur Aktivierung des Repressors und dieser aktiviert die Virus-DNA. Nun geht die Zelle in den lytischen Zyklus über. Das heißt die Zelle geht komplett in den Produktionszyklus von Lambda-Phagen über und zerplatzt bei deren Freisetzung. Die Phagen wiederum infizieren alle weiteren Zellen bis der Organismus tot ist. Und hier liegt Ihr eigentlicher Fehler Herr Hackel. ENTWEDER es mutieren latent nur einzelne Zellen, die dann die neuen Eigenschaften aufweist. Dies bedeutet dann auch, dass weder die anderen Zellen infiziert werden, noch dass das ganze übertragbar wäre. ODER es kommt zur lytischen Phase (Bildung der Viren und Zerstörung der Zellen), was dann den Tod des Organismus zur Folge hätte! Ihre Theorie ist also vollkommen an der Wahrheit vorbei!
Mein Fazit ist daher: Wer sich ernsthaft mit Vampiren beschäftigt und die Wissenschaft im Auge behält, der kann niemals deren Existenz für möglich halten! Also erzählen sie den Unwissenden dieser Welt nicht so einen Schund!“

Ich suchte nach Thoralfs Kommentar, welches hier offensichtlich beantwortet worden war, doch es war ... weg.
Die Kommentare davor waren alle älter und dann direkt kam die Antwort von Dr. Wiki.
Ganz offensichtlich war Thoralfs Text gelöscht worden!
Da standen die jämmerlichsten SPAM-Nachrichten und dann wird ein solcher Post gelöscht? Das kam mir irgendwie seltsam vor, besonders, da der Post von Dr. Wiki ganz offensichtlich ein älteres Datum aufwies, als die Schließung der Kommentare. Vielleicht war Dr. Wiki ja ein GM und hatte es nicht lassen können, seinen Senf zu der Diskussion beisteuern zu müssen. Trotzdem hatte er natürlich die Thesen von Thoralf auf interessante Art und Weise beantwortet.

Ich durchsuchte meine Vorlesungsaufzeichnungen und stieß darauf, dass Dr. Wiki wohl im Grunde recht mit seinen Ausführungen hatte. Natürlich war der Lambda-Phage in seiner Form nicht in der Lage das Vampirphänomen zu erklären. Aber das war ja auch vollkommen logisch, denn wenn es Vampire wirklich gäbe, dann wäre ihr Geheimnis doch wohl nicht der seit über einem Jahrhundert am besten erforschten Virus der Welt! Was mit diesem Virus allein schon Gentechnik betrieben worden war... da war es ja wohl absolut eindeutig, dass man irgendetwas darüber wüsste, falls der etwas mit Vampiren zu tun hatte.
Diese Spinner!“, schoss es mir durch den Kopf und ich schloss das Internetfenster wieder. Wenn man nichts zu tun hat, dann kann man sich mit solchen Scheiß beschäftigen, aber als ein Biostudent, der Lust hat sein Studium abzuschließen, wird das wohl nicht funktionieren...
Ich widmete mich wieder meinen Hausaufgaben und beendete den Tag nach dem ich aus Interesse noch einen Action-Vampir-Schnetzelfilm gesehen hatte, der im Deutschen wohl „Messerklinge II“ geheißen hätte. [Anmerkung: Ich verwende hier den Originaltitel absichtlich nicht.]
Es ging darum, dass „der“ Vampir-Virus mutierte und so was ähnliches wie Zombievampire hervorbrachte. Ich hätte es ja eigentlich besser wissen müssen, als mir so etwas vorm Einschlafen zu geben, denn egal wie sinnlos solche Filme sind, bei mir beeinflussen sie dann meine Träume immer...

Am nächsten Morgen, es war ein Donnerstag, erinnerte mich mein Bruder Eric daran, dass wir am Wochenende unsere Großeltern besuchen wollten. Ich wohnte immer noch zu Hause, da meine Eltern vor einigen Jahren in die Stadt gezogen waren, in der ich mit meinem Studium begonnen hatte.
Besuch bei den Großeltern...
Das heißt, ich müsste heute Abend noch packen, da es bereits Freitagmittag losgehen sollte. Es waren immer etwa vier Stunden Fahrt zu meinen Großeltern, da wir vor etwa 8 Jahren in die Universitätsstadt gezogen waren. Mein Vater hatte dort einen Ruf als Professor erhalten und wir fünf Kinder waren einigermaßen widerwillig mitgekommen. Besonders mir als Ältestem fiel es schwer meine Freund zu verlassen und es hatte mindestens 2 Jahre gedauert, bis ich mich eingelebt hatte. Aber das half nix. Heute wurde gepackt und Morgen würde es losgehen.

The Runner

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