Mittwoch, 7. September 2011

13. Jeri glaubt einfach nichts!

13. Blogeintrag
Jeri glaubt einfach nichts!

Hallo liebe Leser meines Blogs,
wie ihr sicherlich schon mitbekommen habt, musste ich in letzter Zeit des Öfteren mit dem Bog umziehen. Eric hat immer wieder einmal festgestellt, dass die Blogs nicht sicher sind. Wäre er nicht so geschickt im Umgang mit dem Internet, wäre meine Identität möglicherweise schon aufgeflogen. Von nun an veröffentliche ich bei einem Bekannten meine Blogs, der ein Schriftsteller ist, den ich über das Netz kennen gelernt habe. Benjamin Scholl heißt er und hat meinen Blog unter dem Stichwort „Vampirevolution“ verlegt.

Auf diese Art und Weise kann ich von nun an sicher schreiben. Benjamin wird nichts passieren, da jeder Leser meine Geschichte nur für eins seiner Werke halten wird – hoffentlich! Und wenn nicht, nun, er kennt meine wahre Identität ja sowieso nicht! Wir kennen uns nur per Email!

Nun aber weiter zu dem, was mir passiert ist. Wie ihr es sicher gemerkt habt, ist schon mein übernächstes Semester angebrochen. Es hat Zeiten in den letzten Monaten gegeben, da hätte ich nicht damit gerechnet, jemals so weit zu kommen. Aber dazu später mehr. Ich muss meine Gedanken ordnen und vorne anfangen, damit verständlich wird, wovon ich spreche…

Es war ein gewöhnlicher Frühherbsttag, als ich mal wieder mit meinem Freund Jeri telefonierte. Er hatte angekündigt, uns bald besuchen zu wollen, da auch seine Eltern in unserer Stadt wohnten. Gerne nutzten wir die Zeiten, um unsere alte Schulfreundschaft durch gemeinsame Unternehmungen aufleben zu lassen. Soweit so gut. Alles hätte super sein können, wenn Jeri mich nicht so gut gekannt hätte. Wir hatten lange nicht miteinander gesprochen und so war Jeri aufgefallen, dass ich mich verändert hatte. „Bedrückt dich irgendetwas, Dave?“, hatte er immer wieder gefragt.
„Nein, wer eine Naturwissenschaft studiert, den kann nichts bedrücken. Du weißt ja genau, wie leicht und einfach mein Studium ist.“, war meine ausweichende und sarkastische Antwort gewesen.
Doch Jeri ließ nicht locker und so musste ich ihn immer wieder abspeisen. Dummerweise war er auch mit meinen Brüdern befreundet, die er ebenfalls kennen gelernt hatte, als er noch mit mir in der gleichen Klasse gewesen war. Was wir auch taten, es wurde Jeri immer klarer, dass wir drei nicht ganz normal waren.
Und so kam es, dass Jeri es sich zum Ziel seines mehrwöchigen Urlaubs bei uns erkoren hatte, das Geheimnis der seltsamen Brüder zu lüften, die ständig nur Andeutungen machten und sich nicht aussprachen, warum sie so gestresst, abwesend und beinahe paranoid waren.

Ich hatte mir nämlich lange angewöhnt alle Menschen in meiner Umgebung zu mustern und war außerdem in den Semesterferien mit Johnny zu einem Selbstverteidigungskurs vom Unisport gegangen. Obwohl wir ja alle hofften, endlich aus der Sache raus zu sein, ließ es uns nicht los. Das galt neben Eric, Johnny und mir leider auch für Maria. Unsere kleine Schwester kannte Jeri ebenfalls und hatte sich in einem Chatgespräch mit ihm über unsere Vampirerlebnisse verquasselt, als wir drei Brüder gerade keine Zeit für Jeri gehabt hatten. Was genau Maria da gesagt hatte, wussten wir nicht, aber jedenfalls stand Jeri noch am gleichen Abend bei uns zu Hause auf der Matte.
„Hallo.“, begrüßte er mich mit ernstem Gesicht, als ich ihm die Türe öffnete.
Er hatte einen Rucksack dabei, indem er Wechselklamotten und andere Dinge, die man zum Übernachten braucht, mitgenommen hatte. „Wir müssen reden.“, sagte er trocken und folgte mir in mein Zimmer.
Dort angekommen knallte er seinen Rucksack in die Ecke, setzte sich auf mein kleines Sofa und sah mir starr in die Augen. Dann begann er: „Dave, wir sind nun schon lange Freunde. Aber ich finde, du könntest mir endlich sagen, was mit eurer Freak-Familie abgeht…“
Wie immer zuckte ich nur die Achseln: „Was soll schon sein?“

Jeri reichte es und er erklärte mir, dass Maria ihm bereits alles erzählt hatte: „Ich weiß mittlerweile, was Sache ist. Deine Schwester hat gestern mit mir gechattet und mir dabei einen Link geschickt, der eigentlich an Eric gedacht war. Ich habe mir das durchgelesen und festgestellt, dass es etwas mit Vampiren zu tun hat.“
Als ich das Wort „Vampire“ hörte, musste ich schlucken. Ich konnte mir denken, was kommen würde.
Jeri räusperte sich und fuhr dann fort: „Und als ich nachgehakt habe, hat Maria mir alles erzählt. Dass ihr von Vampiren angegriffen worden seid, dass Eric sich in deren System gehackt hat und so weiter. Aber du weißt das alles besser als ich. Nur ich will jetzt endlich auch von dir mal reinen Wein eingeschenkt bekommen?“

Ich hatte keine Lust direkt zu antworten und versuchte es mit einem Witz: „Aber ich dachte, ihr Christen trinkt keinen Wein?“
Jeri konnte nicht lachen: „Du weißt, dass das nicht stimmt. Christen finden es nur nicht gut, sich hemmungslos zu besaufen, um dann am nächsten Morgen aufzuwachen, ohne zu wissen, was man getan hat. Aber; Alter, darum geht es gerade gar nicht! Ich bleibe hier solange sitzen, bis du endlich sagst, was euch da passiert ist!“
Ich musste wohl einsehen, dass es keinen Zweck hatte. Maria hatte alles verraten und uns damit in große Gefahr gebracht. Jeri war natürlich vertrauenswürdig, aber wenn er das rausgefunden hatte, könnten es vielleicht auch andere…
Aber es half nichts und ich begann von vorne, um Jeri in Kurzform zu erklären, was uns alles passiert war. Er hörte mir stillschweigend zu und wartete, bis ich fertig war. Dann atmete er tief aus und sagte: „Das klingt alles so extrem erfunden und erlogen, dass es wohl wahr sein muss. Ich habe damals auch von dem Autounfall mitbekommen, da ich ja wusste, wo ihr zu dem Zeitpunkt wart und ich wissen wollte, ob es euch getroffen hatte; aber es war nur ein mittelalter Mann gewesen. Ich gehe also davon aus, dass du wirklich die Wahrheit sagst. Du musst mir aber auf jeden Fall erklären, wie ihr drauf kommt, dass diese Typen Vampire sind. Ich meine, nur weil der eine euch beißen wollte und angeblich aus dem Fenster aus drei Meter Höhe gesprungen ist. Ich habe euch doch mal bei deinen Großeltern besucht, und Eric hat uns eingeschlossen. Da haben wir festgestellt, dass es vor dem Fenster ein kleines Dach über der Haustüre im Erdgeschoss gibt, über das man abhauen könnte.“

Völlig verdattert starrte ich Jeri an. Erzählte er gerade ernsthaft, dass wir uns das alles nur ausgedacht hatten?
„Ich glaube, ich spinne. Nur weil man da eventuell auch so runter klettern kann, soll das alles falsch sein? Ich habe dir doch gesagt, was Eric alles rausgefunden hat und dass man uns dafür umbringen wollte. Und damit nicht genug. Thoralf ist ja selbst seit Monaten auf Vampirjagd und hat den einen Vampir getötet. Wie willst du das denn alles wissenschaftlich erklären?“, fragte ich vorwurfsvoll.
„Weiß ich doch nicht. Aber das ist alles noch kein Beweis. Und überhaupt, wo sollen Vampire denn auf einmal herkommen?“
Jetzt wurde ich wirklich wütend: „Bist du so bescheuert oder tust du nur so? Ich habe dir meine wissenschaftliche Erklärung doch erzählt. Es ist ziemlich sicher eine Mutation eines Virus gewesen, der auf diese Art und Weise den Evolutionsprozess in Gang gebracht hat. Die stärkeren Vampire überlebten und passten sich an, also beziehungsweise deren Virusversion. Im Vergleich zu dem Unterschied der menschenähnlichen Affenvorfahren, wie Kenyanthropus platyops, ist eine solche Mutation ein Kinderspiel!“
Jeri ließ sich von mir nicht überzeugen: „Du weißt doch ganz genau, dass ich an die Evolution nicht glaube. Für mich ist ein Vampir genauso Unfug wie die Entwicklung eines Einzellers aus dem Matsch, oder die eines Menschen aus einem Affen. Dave, du machst genau den gleichen Fehler, den alle anderen Biologen machen. Ihr schließt von Daten zurück auf deren Ursprung, ohne dass ihr es wirklich wissen könnt. Man findet ein paar Knochen einer unbekannten Affenart und schon ist es natürlich ein Vorfahre des Menschen. Man kommt auf die Idee, es gäbe einen Urknall und schon muss man an keinen Schöpfer mehr glauben. Und in deinem Fall werdet ihr bedroht und Eric findet das ganze Zeugs im Internet und schon glaubst du es. Auch wenn ich gerade keine bessere Erklärung habe, glaube ich nicht, dass es wirklich Vampire gibt! Das passt nämlich in mein Weltbild nicht rein, und ich mache es jetzt wie du und setze es einfach als gegeben voraus.“

Schon wieder fing Jeri mit dem Thema an. Theologie vs. Biologie, der große Kampf. „Jeri, ist das jetzt wirklich wichtig? Für jeden Biologen ist es eine Grundannahme, dass die Evolution stattgefunden hat. Und in diesem Rahmen ist meine Theorie schlüssig. Natürlich weiß ich, dass es nur eine Theorie ist, aber es hat auch noch keiner das Gegenteil bewiesen.“
Jeri nickte: „Stimmt. Und das gleiche gilt für meinen Glauben. Ich glaube nicht an die Evolution und nicht an deine Vampirgeschichte. Natürlich können sich Arten verändern, sieht man ja schon bei der Hundezucht, aber dass sich ein so kompletter Wandel vollzieht, dass Menschen von Blut leben können, lichtempfindlich werden und uralt, das halte ich für Humbug.“

„Typisch Christen…“, murmelte ich. „Ihr erklärt einfach alles für Aberglaube, was euch nicht passt. Aber mir ist es ehrlich gesagt scheißegal, ob du mir glauben willst oder nicht. Ich weiß, was ich gesehen habe…“

Die Diskussion dauerte noch etwa eine Stunde, bis uns beiden der Kopf qualmte. Jeri gab schließlich nach: „Ok, ich will mal versuchen, dir zu glauben. Ich tue mal so, als wäre das alles möglich. Es ist jedenfalls schon krass genug, dass man versucht hat, euch umzubringen, und dass dabei zwei Menschen – entschuldige, Vampire – gestorben sind. Aber weißt du, ich kann einfach nicht mehr weiter streiten. Mein Kopf ist völlig zu. Lass uns doch in euren Keller gehen und etwas Tischkicker spielen, um wieder klarer zu werden. Denn, was auch immer ihr da erlebt habt, das ist eine richtig miese Sache…“
Da hatte Jeri endlich einmal etwas Schlaues gesagt. Natürlich hatte mich sein Schöpfungsgelaber nicht überzeugen können. Es war ja schließlich meine Entscheidung, was ich glauben wollte, oder nicht. Also stimmte ich ihm zu und folgte ihm über die Treppe in den Keller.

Unten angekommen, stellten wir uns an den Tischkicker, der im Durchgangsflur unseres Kellers stand. Gemütlich war es hier unten nicht, da noch nicht renoviert worden war und die Räume hier unten bisher nur als Rumpelkammern dienten. Es war staubig und kalt, so dass man nie länger als zum Kickern hier unten bleiben wollte. Als ich kleiner gewesen war, hatte es mich sogar manchmal gegruselt in den dunklen Keller zu gehen, um irgendwelche alten Sachen heraus zu kramen.

Klackernd fiel der Ball durch das Loch auf das Spielfeld und mein Mittelfeldspieler traf ihn so geschickt, dass er an Jeris Abwehr vorbei ins Tor sauste. Ich hatte zu fest geschossen und so prallte er ab und wieder zurück ins Spielfeld, statt im Tor liegen zu bleiben. „Hey, der gilt aber trotzdem!“, sagte ich und nahm den Ball vom Feld, um ihn erneut einzuwerfen.
Doch Jeri hob nur den Zeigefinger und legte in an die Lippen. „Psst! Da war doch was?“, sagte er.
„Nein, das war nur das Krachen meines Balles gegen dein völlig ungeschütztes Tor.“ erwiderte ich grinsend.
Doch Jeri schüttelt den Kopf: „Nein, da war ein krachendes Geräusch bereits kurz davor. Ich bin mir absolut sicher.“

Plötzlich erwachte wieder die Vorsicht in mir und ich sah mich suchend um. Instinktiv griff ich in meine Hosentasche und umfasste das Taschenmesser, das ich immer bei mir hatte. Jeri bemerkte diese Geste gar nicht, sondern lauschte in unseren Keller hinein. Und tatsächlich. Es klang so, als sei eine Art Blechschüssel auf den Boden gefallen. Ich hatte genau gehört, dass es aus der Rumpelkammer neben dem Kellerflur gekommen war, auch wenn dessen Türe noch zu war. „Jeri, hol mal schnell Eric und Johnny. Wer weiß, was das ist!“, sagte ich und zog das Taschenmesser aus der Hose.

Offensichtlich glaubte mir Jeri in meinen Berichten wenigstens so weit, dass er tatsächlich leise und schnell die Kellertreppe hinauf lief, um meine Brüder zu holen. Mit pochendem Herzen stellte ich mich neben die geschlossene Türe und wartete mit geöffnetem Messer darauf, was passieren würde.

Aber nichts geschah und schon bald waren Eric und Johny mit Jeri erschienen. Alle drei hatten einen Baseballschläger in der Hand. „Ich würde da nicht reingehen.“, sagte Johnny und zeigte auf die Türe. „Wenn da tatsächlich ein Vampir drinnen ist, dann sollten wir die Türe lieber von außen abschließen, als reinzugehen. Das gefällt mir nicht!“
Johnnys ängstliche Art überraschte mich. Er war doch sonst immer der Erste, wenn es darum ging, Blutsauger zu jagen…

Doch Eric ließ sich nicht einschüchtern. „Dann schaue ich halt nach!“, sagte er, trat zur Tür und zog sie langsam auf.
Blitzschnell warf er die Türe auf und sprang mit erhobenem Baseballschläger herein. Doch statt den Raum weiter zu betreten, verharrte er in seiner Position. Ich konnte nicht anders, als ihm zu folgen und ebenfalls den Raum zu betreten.
Und was ich da sah, verschlug mir den Atem. Dort lag wahrhaftig Marias ehemaliger Klassenkamerad Marc, der geknebelt und mit Seilen gefesselt war. Er hatte ein blau angeschwollenes Auge und sah ängstlich zu Erics und meinem Baseballschläger herauf. „Hmmmpfe!“, war alles, was er durch das Tuch, mit dem er geknebelt war, herausbrachte.
Jetzt kamen auch Johnny und Jeri in den kleinen Raum. Ihre Gesichter ließen auf große Verwunderung schließen.

„Was hast du gesagt?“, frage Eric und ging etwas näher an den gefesselten Marc heran.
„Hmmmmlfe!“, keuchte Marc.
„Ich werde dir jetzt den Knebel lockern, also keine Angst, wir tun dir nichts!“, erklärte Eric und beugte sich herab.
Irgendwie schienen Erics Worte keinen beruhigenden Eindruck auf Marc zu haben, da dieser wie ein verängstigtes Karnickel aussah. „Mann, lass das. Der ist ein Blutsauger!“, kam es jetzt aus Johnny heraus, der schnell zwischen Eric und Marc gesprungen war.
Das kam überraschend. „Johnny, woher weißt du das?“, fragte Eric und sah unserem Bruder fest in die Augen.
„Na, weil, weil, weil ich ihn im Garten erwischt und gefangen genommen habe. Lass ja den Knebel zu, er ist gefährlich!“, stammelte Johnny.
„Aha. Du hast einen Vampir im Keller und sagst deinen Brüdern nichts. Das wird ja immer besser. Ich werde ihm das Tuch lösen und ihr anderen bedroht ihn mit den Schlägern. Egal, was für ein Vampir er ist, mit den Teilen spaltet ihr im Notfall jeden Schädel!“, sagte Eric und schob Johnny beiseite.
Unser jüngerer Bruder wurde kreidebleich, als Eric Marc schließlich den Knebel abnahm.
„Hilfe!“, war das erste, was Marc nach einem tiefen Atemzug herausbrachte. „…Schützt mich vor dem Irren. Ich bin hierhergekommen, um euch um Hilfe zu bitten und euer Bruder hat mich niedergeschlagen und gefesselt. Dann hat wollte er mich zwingen, ihn ebenfalls zu einem Vampir zu machen.“
Es sprudelte nur so aus dem gefesselten Marc heraus. Ungläubig sahen Jeri, Eric und ich den roten Johnny an. „Ich, ich. Also. Ich wollte, dass er mich auch verwandelt, damit ich unsere Familie besser verteidigen kann. Wie in dem Film Blade, wo der beste Vampirjäger selber ein…“
Patsch!
Knallend hatte Eric seinem kleinen Bruder eine Ohrfeige verpasst, die sich gewaschen hatte. „Junge, du spinnst doch wohl. Du wolltest dich beißen lassen? Ohne mit uns zu reden? Du hast sie nicht mehr alle!“

Jeri war so gelähmt von der Schnelligkeit, mit der alles auf uns einprasselte, dass erst einmal gar nichts sagte. Mir ging es ähnlich, aber ich riss mich zusammen und kniete mich zu Marc, um weitere wichtige Infos von ihm zu bekommen. „Also, bist du wirklich ein Vampir?“, fragte ich eindringlich.
Marc schloss die Augen. Er schien mit sich zu kämpfen, ob es wirklich ratsam wäre, uns die Wahrheit zu sagen. Dann irgendwann hatte er sich entschieden: „Ja, bin ich. Und deshalb bin ich hier. Ich weiß, dass du ein Biologe bist und dass unsere Organisation dich dafür umbringen wollte. Mein Blutvater Steve war damit betraut und ich sollte ihm eigentlich helfen. Aber ich habe mich verdeckt gehalten, um zu sehen, was passieren würde. Ich war ja auf Maria angesetzt gewesen und musste von eurer Bildfläche verschwinden, bevor meine Tarnung auffliegt. Nun ja, ich habe gesehen, wie Steve euch erwischt hat und bin euch dann gefolgt. Als ich ankam, habe ich gesehen, wie ihn euer seltsamer Freund getötet hat und ihr euch anschließend aus unserem System gelöscht habt. Euch hätte ich vielleicht noch töten können, aber als mir klar wurde, dass Maria dann ebenso dran gewesen wäre, entschied ich mich, es lieber zu lassen. Das hätte ich nicht übers Herz gebracht. Ich habe also so getan, als hätte es euch nie gegeben und das Revier von Steve übernommen. Aber seit ich in dieser Stadt der Obervampir bin, habe ich für die Organisation so kranke Sachen machen müssen, dass ich endlich aussteigen wollte. Ich will weder bei Chiang-Shih sein, noch als Vampir leben. Ich will keine Menschen mehr töten müssen!“

Der junge Vampir hatte Tränen in den Augen, während er erzählte. Keiner von uns traute sich, ihn zu unterbrechen. Erst als er fertig war, hakte ich nach: „Und warum wolltest du zu mir kommen?“
„Weil ich recherchiert habe, was ihr so macht. Ich habe festgestellt, dass ihr alles rausbekommen habt und du sogar eine halbwegs tragfähige Theorie entwickelt hast. Und ich habe mich gefragt, ob du in der Lage bist, mittels Gentechnik meine Verwandlung rückgängig zu machen und das Virus aus mir zu entfernen.“

Ich musste schlucken. Ebenso wie ich, waren auch Eric, Jeri und besonders Johnny wie versteinert. Wir hatten hier einen Vampir gefangen, der alles zugab und uns um Hilfe bat. Was war da zu tun? Wäre es nicht das allersicherste für uns, wenn wir ihn sofort töteten?
„Also, das könnte…, das wird schwierig…“, druckste ich herum, in dem Wissen, dass es nach dem aktuellen Stand der Technik absolut keine Chance gab, ihm zu helfen.
Ich versuchte, etwas Zeit zum Denken zu gewinnen und fragte daher: „Wie bist du denn eigentlich Vampir geworden?“
„Ich bin am Hals blutend in einem alten Lagerhaus aufgewacht. Vorher war ich ein ganz normaler Junge gewesen so wie ihr. Aber ich erwachte mit großen Schmerzen und unstillbarem Hunger und dann war da plötzlich Steve. Er erzählte mir etwas, von wegen ich sei auserkoren, Teil einer neuen Rasse zu sein und so weiter. Dann outete er sich als Vampir und erklärte mir, dass er mich im Sinne seiner Vampirorganisation verwandelt hatte. Ich würde nun ebenfalls Blut oder Blutpräparate der Organisation trinken müssen, wenn ich überleben wollte. Es war auch irgendwas mit Virus oder so, aber er hat selbst keine Details gewusst. Erst habe ich mich gegen meinen Hunger gewehrt, aber das half nicht lange. Ich habe versucht, mich normal zu ernähren, aber was ich auch aß, es konnte mich nicht sättigen. Erst als ich Steves Blutpräparat trank, wurde ich wieder gekräftigt. Steve nahm mich von da an mit sich und weihte mich in die Geheimnisse von Chiang-Shih ein und dass wir als Vampire immer gehorchen müssten. Nun lebe ich schon seit zwei Jahren in dieser furchtbaren Lebensform. Ich habe oft schreckliche Schmerzen und einen unstillbaren Hunger. Wenn Steve mir keine Präparate gab, war ich gezwungen, Blut zu trinken. Tierisches Blut funktionierte zeitweise, aber langfristig wurde ich zu schwach, wenn ich kein menschliches Blut oder dessen Präparate zu mir nahm. Aber ich will das nicht mehr. Ich will frei sein. Ohne Tod und Verderben. Bitte, Dave, hilf mir. Ich werde alles was ihr tun. Alles. Außer euch zu verwandeln. Bitte helft mir!“

Unglaublich! Es war alles so, wie ich gesagt hatte. Jeri hatte Un Recht gehabt. Ich wusste, dass Alles, was ich entwickelt hatte, stimmte. Es war sicher. Vampire hatten sich evolviert. Es gab keine Chance, Marc davon zu heilen. Seine Peptidasen waren funktionsunfähig. Jede seiner Zellen war von dem Virus mutiert und hatte ihr Erbgut verändert. Es gab keine Hoffnung für Marc!

Jeri musste wohl ahnen, was ich dachte: „Mensch, Dave. Das weißt du überhaupt nicht. Du musst ihn untersuchen. Du musst mikrobiologische Checks machen. Im Grunde müsste man ihn medizinisch scannen. Die Organe testen. Und vielleicht sind wirklich nur die Peptidasen kaputt. Das sind doch auch Enzyme. Sie könnten inhibiert sein.“
Jeris Fachwissen überraschte mich. Er hatte meinen Erklärungen also doch sehr genau zugehört: „Jeri, wie kommst du auf sowas?“
„Ich war mit dir im gleichen Bioleistungskurs. Du gehst ja davon aus, dass es langfristige Veränderungen des Gencodes sind. Aber denk mal logisch. Was ist denn, wenn er aufgrund einer Vergiftung so viele Peptidaseinhibitoren im Körper hat, dass er nicht mehr selbstständig verdauen kann und daher vorverdautes Blut aufnehmen muss?“
Obwohl ich ihm nicht vollständig Recht geben konnte, hatte er immerhin einen Vorschlag für eine wissenschaftliche Erklärung: „Also, du meinst, dass seine proteinverdauenden Enzyme als solche geschädigt sind, nicht aber deren Produktion? Daran habe ich noch nicht gedacht. Ist auch im Grunde unlogischer. Aber falls das doch irgendwie ginge, dann hätte er konstant einen hohen Pegel an hemmenden Substanzen. Pepstatin, Iodacetat oder Phenanthrolin fallen mir da spontan ein. Das zweite, also Iodessigsäure gibt es z.B. in Pflanzenschutzmitteln oder Arzneimitteln. Die Iodessigsäure ist zwar sonnenlichtempfindlich, aber das würde bei einem Vampir, der das Sonnenlicht meidet, kein Problem darstellen. Nun, angenommen du hättest recht, dann wäre es durchaus möglich, ihm zu helfen. Und, nur mal angenommen, du hättest wirklich recht, dann würde das erklären, wieso er Blut zu sich nehmen muss, das nämlich zusätzliche Peptidasen enthält, die eine Zeit lang wirken, bis sie inhibiert werden. Aber, wie ich schon sagte, eine Zerstörung der Peptidasen halte ich für wesentlich unwahrscheinlicher, als dass deren Bildung schon gestört ist.“

„Ja, das mag alles sein. Aber wir müssen ihn einfach checken. Bitte, Dave!“, sagte Jeri, der es einfach nicht ertragen konnte, jemanden vor sich zu sehen, dessen Gesundheit ihn zum Töten zwang. Das passte einfach nicht in sein Weltbild.

Johnny war die ganze Zeit schweigsam gewesen. Er war sich seiner Schuld bewusst und schämte sich, dass er uns hintergangen hatte. Jetzt aber schaltete auch er sich ein: „Sorry, Marc. Ich wusste nicht, was es heißt, einer von euch zu sein. Ich habe nicht verstanden, warum du mich nicht verwandeln willst. Mann, ich war so ein Idiot.“
„Ja, warst du!“, stimme Eric zu „Das ändert aber nichts daran, dass Marc nach wie vor gefährlich ist. Ich bin der Meinung, wir sollten ihm den Gefallen tun und ihm nach unseren Kräften helfen. Aber entfesseln können wir dich leider nicht. Dafür seid ihr Vampire einfach zu stark!“
Marc schien traurig darüber, dass wir ihm nicht vollends vertrauten. Aber was hatte er auch erwartet? Wollte er bei uns klingeln und uns sagen, dass sein Blutsvater uns hatte töten wollen und er dabei zugesehen hätte?

Gemeinsam entschieden wir uns, Marc hier unten zu lassen, damit ihn unsere Eltern und Maria nicht zu Gesicht bekamen. Wir mussten ihn ja auch in seinen Fesseln lassen. Aber wir entschieden uns, es ihm etwas bequemer zu machen und ihm eine Decke zu holen. Außerdem gaben wir ihm Wasser und Traubenzucker, da ich wusste, dass man diesen unverdaut bereits im Mund und auch im Magen aufnehmen konnte, völlig unabhängig davon, was an Enzymen funktionsunfähig war…

Gemeinsam setzten wir fünf uns in dem Raum zusammen und überlegten, was zu tun sei. Im Grunde würde man ein ganzes Labor brauchen, um Marc richtig untersuchen zu können. Eric holte seinen Laptop und so setzen wir uns hin, um gemeinsam einen Plan zu erarbeiten…

Soweit erst mal zu dem, was wir erlebt haben. Es ist schon spät und ich kann heute nicht weiter schreiben, sondern muss mir etwas Schlaf gönnen. Ich werde ihn dringend brauchen!

Grüße
Dave



12. Maria, geh schlafen!

Hallo,
ich habe es beim letzten Mal nicht geschafft die Geschichte zu Ende zu erzählen, das soll sich nun ändern. Zu wissen, dass man von einer Vampirgilde beobachtet wird, ist nicht gerade eine entspannende Gewissheit, doch lest selbst…

Es waren Wochen, nein Monate, die wir in stupidem Warten verbrachten, seit wir dank Eric wussten, dass es immer noch eine Menge Vampire gab und dass sie uns auf ihrem Radar hatten. Absolut niemand fiel uns auf, den wir für einen Shih, als Vampirjünger oder einen echten Vampir halten konnten. Trotzdem erschienen im Chiang-Shih-Chat unserer Stadt mehrere Posts über uns. Es ging keine Woche vorbei, an der wir nicht irgendwie beschattet worden waren, aber wir wurden aus den Einträgen einfach nicht schlau: „S1 lernt in der BiBo, scheint wenig konzentriert.“, war da über mich zu lesen. Aber da saßen hunderte in der Bibliothek und ich konnte mich nicht mal an ein Gesicht erinnern, dass mir verdächtig gewesen wäre. So erging es auch Eric auf seiner Arbeit. Man wusste, wann er Mittagspause machte und sogar an welchen Projekten er arbeitete, aber der Turm, wo er zur Arbeit ging, war weithin sichtbar und auf dem Platz davor tummelte sich das Stadtleben.

Eines Tages trafen Eric und ich uns zum Mittagessen draußen vor einer Pizzeria, die hauptsächlich von Studenten aufgesucht wurde im Zentrum der Stadt. Es war ein warmer Spätfrühlingstag und Eric saß lässig mit einer Sonnenbrille auf seinem Stuhl. Doch was er mir erzählte, während wir auf unsere Quattro Formaggi warteten, war alles andere als entspannt: „Heute ist zum ersten Mal ein Eintrag über S5 in der Datenbank aufgetaucht. Sie haben mittlerweile nicht nur uns drei und Maria, sondern auch Yoda auf dem Schirm. Man scheint uns nicht zu trauen, und dehnt unsere Überschattung aus. Ich vermute stark, dass sie uns bald die Bedenklichkeitsstufe vier geben werden.
Ich nippte an meiner Spezi und warf währenddessen ein paar unauffällige Blicke zu den Leuten in nächster Nähe. Aber es konnte uns keiner von ihnen hören, dafür war es einfach zu laut. Nervös fragte ich: „Was heißt das? Hetzen sie uns dann Killer auf den Hals?“
Eric zuckte die Schulter: „Ich denke nicht! Soweit ich weiß, würden sie uns bei einer vier nur dann aus dem Weg schaffen, wenn wir drei alle gemeinsam so ausgeschaltet werden könnten, dass es keiner mitbekommt. Also zum Beispiel beim Autofahren.“
„Aber das haben wir ja nur zu dritt seit dem Besuch bei unseren Großeltern nicht mehr getan.“, warf ich ein.
Eric nickte:  „Und das ist auch gut so. Ich habe in letzter Zeit darauf aufgepasst, dass wir das vermeiden. Aber, hör zu: Ich mühe mich seit Wochen ab, aber ich komme einfach nicht in eine höhere Ebene rein. Das ist zu gut gesichert und da braucht man tatsächlich ein Passwort für. Es wird also Zeit, dass wir etwas unternehmen!“

Mir fuhr ein Schauer über den Rücken, als mir klar wurde, was das zu bedeuten hatte: Wir würden uns absichtlich in die Höhle des Löwen begeben. Eines Löwen, der weltweit agierte, uralt war und über Möglichkeiten verfügte, die wir uns kaum vorstellen konnten. „Und was hast du vor?“, fragte ich mit trockener Stimme.
Eric biss sich auf die Lippe: „Ich werde von meiner Möglichkeit in unserem Chat zu schreiben, Gebrauch machen. Ich habs heute Morgen Johnny schon erzählt. Wir werden sie an einen Ort locken, an dem wir sicher sein können, dass es kein Zufall ist, dass sie uns begegnen.“
Das gefiel mir gar nicht, aber ich sah ein, dass es nötig war: „Na gut, aber das ganze muss so perfekt geplant sein, dass wir im Notfall die Vampirjünger und die Blutsauger erwehren können.“
Eric sagte: „Ja, allerdings. Ich werde eine solche Nachricht hinterlassen, dass sie das Ganze für harmlos halten werden und uns höchstens einen Shih nachschicken.“
„Und was könnte so harmlos ein, dass sie jemanden schicken, der aber alleine kommt?“, hakte ich nach.
Eric überlegte, während man uns die Pizzas brachte und begann dann mit Essen, ohne weiter etwas zu sagen. Ich sah, dass er überlegte und entschloss mich, auch erst mal meinen knurrenden Magen zu bekämpfen.

Unsere Mittagspause war zu Ende und uns war immer noch keine Möglichkeit eingefallen. Wir verabschiedeten uns und verabredeten uns später in Erics Zimmer, um zuhause darüber mit Johnny zu reden. Eric ging wieder zu seiner IT-Firma, während ich mir die nächste Vorlesung in Evolutuionsbiologie gab…

Nach dem Abendbrot dauerte es keine zwei Minuten, bis wir alle bei Eric im Zimmer saßen. Eric hatte das Shih-Programm geöffnet und schaute sich noch einmal alle vergangenen Posts an.
Johnny spielte mit dem Elektro-Schocker, den er seit einigen Monaten stets am Gürtel trug. „Ich werde ihn dem Gesetz gemäß auch nur gegen Tiere einsetzen!“, hatte er grinsend gesagt, als das Teil mit der Post gekommen war. Ich spürte meinen Bruder Johnny ab, dass ihn etwas beschäftigte. Er war hippeliger als sonst, wartete aber, bis Eric und ich das Gespräch begannen.
Eric blickte von seinem Protokoll auf und meinte: „Ich habs. Ich weiß, was wir machen. Wir werden sie bei ihrer Schwachstelle packen, und die ist, dass sie alles wissen müssen. Und das, was sie am meisten wissen möchten, ist, wie sie uns aus dem Weg räumen können. Ich werde daher einem der Shih eine private Nachricht schreiben, die ich tarne, als ob sie von einem Admin wäre. Dort werde ich ihm schreiben, dass S1 bis S3 früh am nächsten Tag zusammen auf eine Waffenausstellung der Bundeswehr fahren wollen. Ich müsste mich wirklich irren, wenn  dieser Shih nicht nachts in unserer Garage auftauchen würde, um zu sehen, ob er am Auto rumbasteln kann.“
Johnnys blaue Augen glänzten, während er anfing zu sprechen: „Und warum nur einem Shih? Wieso nicht gleich dem zuständigen Vamp für unsere Stadt? Ein Shih wird doch wohl kaum die Zugangsdaten ins System haben. Und außerdem, was willste mit dem machen? Wir müssten ihn töten, damit er nicht verrät, dass wir alles wissen. Könntest du etwa einen Menschen töten? Also dann doch lieber einen Blutsauger! Da täten wir der Welt sogar noch einen Gefallen!“

„Auch wenn mir das Ganze wirklich Angst macht, hat Johnny recht. Wir können mit einem Shih nichts anfangen. Würden wir ihm das Versprechen abnehmen, uns nicht zu verpfeifen, dann würde ein Wort von ihm uns eine glatte Zehn auf der Todesliste einbringen!“, sagte ich.
„Das stimmt wohl. Also werde ich den zuständigen Vampir diese Nachricht schicken. Jetzt lasst uns alle nötigen Vorkehrungen planen, die dafür sorgen, dass wir den Kerl auch kriegen!“, gab Eric zu.
„Und wie wir die Leiche entsorgen.“, meinte Johnny mit einem undefinierbaren Grinsen. „…ich meine, in Filmen machen sie das meistens mit Benzin…“

Ich schüttelte den Kopf: „Ist gut, Johnny. Das Beste wäre, wenn der Kerl überhaupt nicht auf die Idee käme, dass wir etwas damit zu tun haben. Wie wärs, wir hängen es Nummer Sieben an.“
Eric schlug begeistert die Faust in die offene Hand: „Jawohl, das machen wir. Wir die Außenhülle des Fahrzeugs unter Strom, so dass jeder, der sich dran zu schaffen macht, eine gewischt kriegt. Sobald er dann unter Schock am Boden liegt, werfen wir ihm eine Plane über, und fesseln ihn. Dann kitzeln wir das Passwort aus ihm heraus.“
„Und töten müssten wir ihn dann auch nicht…“, warf ich schnell ein „… wir können ihn in den Wald fahren und dort liegen lassen. Dann schicken wir einem Shih eine Nachricht im Namen von Nummer Sechs, wenn ihr mich versteht. Wir können da auch gleich eine Warnung einbauen, von wegen, wenn ihr weiter in dieser Stadt aktiv seid, lege ich euch um!“

Meine Brüder waren einverstanden und so planten wir die Details. Eric verschickte die Nachricht so, dass wir davon ausgehen konnten, heute Nacht Besuch zu bekommen. Johnny bestand darauf, dass jeder ein Schwert in der Scheide, einen Dolch, einen Holzpflog und einen Elektroschocker im Gürtel haben sollte. Außerdem waren wir mit Luftpistolen ausgestattet. Eric hatte seinen Compundbogen dabei, während Johnny sogar eine Nagelpistole aus den Tiefen seines Schranks gekramt hatte. Dieses Teil hatte er uns bisher noch nicht gezeigt. Ich wollte da doch lieber die Hände für mein Samuraischwert frei haben.
Wir schlichen uns nachts aus dem Hinterausgang unseres Hauses und vereinbarten, dass wir uns an der Stelle im Garten verstecken würden, wo man zwischen den Büschen hindurch auf den Platz vor der Garage gelangte. Eric schloss die beiden Autos unserer Eltern mit einer Kabelrolle und einem zerschnittenen Kabel an die Steckdose an, während Johnny und ich Decken und Essen holten. Es konnte schließlich eine ganze Weile dauern, bis wir Besuch bekommen würden. Wir einigten uns darauf, nicht miteinander zu reden und machten außerdem das Gurren der Taube asl Zeichen aus, dass wir dringend Hilfe benötigten. Dann legten wir uns auf der Decke unter der Hecke hin und warteten…
Wir hatten dort schon einige Stunden unsere Glieder steif gelegen, da hörte man tatsächlich ein Rascheln in der Nacht. Wir fuhren herum und erschraken, als wir eine kleine Gestalt sahen, die sich auf dem Weg von unserem Haus zur Garage befand. Es dauerte einen ganzen Moment, bis ich begriff, wer die Person war. Johnny war schneller gewesen, er sprang auf, rannte zu der Gestalt und fasste sie am Handgelenk. Es war unsere kleine Schwester Maria, die etwa um drei Uhr nachts in einer Jacke, die sie über dem Schlafanzug trug, durch den Garten spazierte.
Johnny wies sie an, leise zu sein und führte sie zu unserem Lager unter der Hecke. „Du musst ganz leise sein. So und jetzt geh schlafen!“, sagte ich ihr und sammelte ein Blatt aus ihrem Haar, dass sich dort verfangen hatte.
„Ich habe euch heute Abend rauslaufen sehen und gemerkt, dass ihr bewaffnet seid als wolltet ihr Russland erobern. Ich will sofort wissen, was ihr hier draußen macht.“, sagte sie.
„Pshhht!“, zischte Eric und hielt einen Finger vor den Mund. „…Glaube mir Schwesterchen, du musst leise sein. Wir können dir jetzt nicht erklären, was wir machen, geh rein schlafen!“
Maria schüttelte energisch den Kopf, so dass die langen Haare durch die Luft wirbelten: „Vergesst es. Ich will das wissen, was das hier soll. Sonst gehe ich und frage Mutti, ob sie weiß, was ihr bewaffnet im Garten macht.“
„Bist du bescheuert!“, fauchte Johnny und sah sie so böse an, dass jeder andere Angst bekommen hätte – jeder, außer unserer Maria.
„Gut, dann bleibe ich eben so lange hier, bis ihr mir erklärt, was los ist!“, sagte sie trotzig.
„Ok, du kommst mit mir rein, da reden wir!“, sagte ich und zog sie am Arm nach oben. Sie folgte mir grinsend, da sie es wieder einmal geschafft hatte, sich gegen uns große Brüder durchzusetzen.
Drinnen schloss ich die Tür ab und zog Maria mit auf die Treppe vor dem Eingang. Leise, um die Eltern nicht zu wecken, flüsterte ich: „Es ist sau gefährlich draußen. Wir haben aus verlässlicher Quelle gehört, dass ein – äh Einbrecher – kommen will, der die Autos knacken will.“
„Aha, und das dürfen Ma und Pa nicht wissen?“, fragte Maria ungläubig.
„Na, wir wollen ihnen keine Angst machen. Außerdem geht es bei der ganzen Sache um – äh …–  um eine Gang mit der wir drei uns Ärger eingehandelt haben...“
Maria rollte mit den Augen: „Das glaubst du doch selbst nicht, Dave. Denkst du, ich wüsste nicht, dass ihr seit einem halben Jahr total komisch geworden seid? Ihr versteckt irgendetwas. Irgendwas Großes. Ihr habt mittlerweile so viele Waffen, dass das BND ganz neidisch auf euch wäre.“
„Es heißt der Bundesnachrichtendienst, nicht das.“, verbesserte ich sie, auch wenn ich wusste, dass ich sie nicht davon abbringen konnte, wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte.
„Dave, sag endlich, was los ist! Ich meine es ernst, dass ich unsere Eltern wecke. Das mit der Gang, kannst du Oma vielleicht erzählen…“, drängelte sie weiter.
„Ok, aber du darfst es niemals jemandem erzählen. Wir stecken, ohne Scheiß, in Lebensgefahr, wie Johnny sagen würde. Nein, es ist keine Gang. Wir stehen im Krieg mit Vampiren, die uns überwachen. Damals bei Oma und Opa haben wir bereits einen getötet. Er hatte versucht Eric auszusagen?“
Maria starrte mich fassungslos an. „Echt jetzt?“, fragte sie, ohne es zu glauben.
„Ich erzähle dir keinen Mist. Ich verspreche dir, dass es so ist. Und ich muss wieder raus, um meinen Brüdern zu helfen. Wir wissen, dass sie sich an unseren Autos zu schaffen machen werden. Du musst mir versprechen drinnen zu bleiben und nichts zu machen, wir erklären es dir morgen alles.“
„Ehrenwort?“, fragte Maria und ich schlug in die mir dargebotenen Hand ein.
„Warte noch…“, sagte Maria und hielt mich am Pullover fest „… du musst dein Handy anmachen und auf lautlos stellen und mich anrufen. Dann kann ich die ganze Zeit mithören, was ihr macht und im Notfall Hilfe holen.“
„Weißt du was das kostet…?“, entgegnete ich.
Doch Maria ließ mich gar nicht ausreden: „Ja, wir nehmen die tragbaren Festnetztelefone einfach und ich rufe an. Dann stellen wir auf lautlos und ich höre alles mit.“
„Na gut!“, stimmte ich zu und wir holten zwei kabellose Telefone, von denen ich mir eins an den Gürtel schnallte, nachdem ich sicher war, dass der Ton ausgestellt war.
Maria wünschte mir viel Glück und ließ mich dann gehen. Ich schloss die Türe leise hinter mir und schlich dann durch den Garten zu meinen Brüdern.
„Ich…“, wollte ich sagen, da hielt Johnny mir den Mund zu, obwohl ich geflüstert hatte.
Er zeigte in die Schwärze der Nacht vor uns. Erst konnte ich nichts erkennen, doch dann sah ich eine Gestalt, die über die Straße ging. Sie trug einen langen Mantel und kam einfach so auf unser Grundstück spaziert. Mit einer schnellen Handbewegung öffnete sie das Gartentor und schritt dann in die Fahrradgarage, um den Knopf für das Garagentor zu bedienen. Ich bekam wirklich Angst, als mir klar wurde, wie gut sich der Feind bei uns auskannte. Ja, insgeheim hatte ich sogar gehofft, dass niemand kommen würde, aber hier war der lebende Beweis vor uns, dass alles wahr war, vor dem ich mich so fürchtete.

Johnny zitterte am ganzen Leib vor Erregung, man sah ihm an, dass er am liebsten sofort losgesprintet wäre, um sich auf den Typen zu werfen. Eric legte ihm die Hand auf die Schulter, um ihn zu beruhigen. Angespannt beobachteten wir, wie das Garagentor nach oben fuhr und der Typ seelenruhig zu den Autos spazierte. Er holte einen kleinen spitzen Gegenstand aus der Tasche und kniete sich neben die rechte Türe des rechten Autos. Wir sahen einen Funken aus dem Dunkel der Garage und einen Knall, der von einem kurzen, röchelnden Schrei unterbrochen wurde.
Jetzt konnte nichts und niemand Johnny halten. Er sprintete los und warf sich auf den leblosen Körper. Wir folgten ihm, doch als wir da waren, hielt er dem bewegungslosen Mann die Nagelpistole mit der einen und den Dolch mit der anderen unter die Kehle. „Die Handschellen!“, befahl er Eric, während ich die Garagentüre von innen schloss und das Licht anmachte.
Eric schnallte dem Typen die Handschellen um Hände und sogar um die Knöchel und zog ihm einen Sack über das Gesicht, dass ich nur für einen Augenblick sehen konnte: Es war ein Mann mit Kaputze, der höchstens zehn Jahre älter sein konnte, als ich. Er hatte gerötete Wangen und seine Haut wies eine rote Stelle auf, wo er das Auto berührt hatte.
„Von nun an, verstellt eure Stimmen!“, befahl Johnny und drehte den immer noch leblosen Körper auf den Rücken, um ihm den Fuß auf die Brust zu setzen.
„Nicht töten!“, zischte ich und setzte mich neben den Kerl, um ihm mit einer Spritze Blut abzunehmen. Ich hatte vorsichtshalber eine mitgenommen, da es möglicherweise die erste Blutprobe eines Vampirs sein konnte, die je genommen wurde. Dann schob ich den Sack ein wenig bis unter die Augen nach oben, um das Gesicht betrachten zu können. Was ich sah, verschlug mir den Atem: „„Er hat das Plummer-Vinson-Syndrom. Seine Mundwinkel sind eingerissen, er ist blass und hat brüchige Nägel. Wisst ihr, was das heißt?“, fragte ich geflüstert.
Meine Brüder schüttelten den Kopf. „Er ist kein Vampir…“, erklärte ich „…, denn er leidet unter chronischem Eisenmangel. Wer sich von Blut ernährt, der wird so etwas niemals haben, sondern vorher an allem anderen sterben oder verhungern, nur nicht an Eisenmangel…. und er atmet noch.
 „Meine Güte, dann arbeitet er für die, weil er hofft, dass die ihn verwandeln…“, sagte Eric und fuhr sich ratlos durchs Haar.

„Ganz recht!“, sagte eine durchringende Stimme und ließ uns aufschrecken. Die Stimme war nicht von dem Ohnmächtigen gekommen, sondern von wo anders aus der Garage. Eine Gestalt erhob sich hinter dem linken Auto und hatte in jeder Hand eine P8-Pistole, die er auf uns richtete.
„Eric, zieh den Stecker raus und Johnny und Dave, legt die Waffen runter!“, sagte er und kam hinter dem Auto hervor. Es war ein dunkelhaariger Mann von etwa einem Meter achtzig Größe, der groteskerweise einen Anzug und einen roten Schlips trug. Seine Haut war blassgelber Haut, was für Gelbsucht und damit für zu viele Hämoglobin-Abbauprodukte spricht.  Zuviel Blut ist für die meisten Lebewesen schädlich, so dass ein Problem mit der Blutverdauung nur logisch ist…
Das miese Grinsen des Kerls, der zusätzlich an seinen spitzen Eckzähnen zweifellos als Vampir zu erkennen war, beendeten meine Gedanken, die wie wild herumflogen und alles taten, außer mir einen Hinweis zu geben, wie wir uns retten konnten.
„Nun, ihr habt euch mit den falschen angelegt. Ihr habt wirklich gedacht, mir eine Nachricht schreiben zu können, deren Absender das System ist? Ich bin das System dieser Stadt und ihr werdet jedenfalls nicht diejenigen sein, die das verändern, ihr Wichte…“

Urplötzlich öffnete sich das Garagentor und der Vampire fuhr herum, ohne jedoch seine Waffen von uns abzuwenden. „Was zum Henker soll das?“, fragte er und zielte mit der rechten Knarre nach Eric.
Man hörte ein Knacken und dann meldete sich eine Frauenstimme aus einem Telefon: „Da liegst du falsch, du Monster. Lass meine Brüder in Ruhe, oder ich schicke die Tonaufnahmen per Email an sämtliche Polizeistationen des Landes! Ich habe alles aufgenommen!“

„Maria!“, entfuhr es mir, als ich begriff, dass sie durch das Telefon mit uns sprach. Jetzt brachte sich unsere Schwester auch noch in Schwierigkeiten…
„Ach, die kleine Maria, wie süß.“, zischte der Vampir und schob mit dem Fuß unsere Waffen zur Seite:  „…Kind, weißt du denn nicht, wie lange es dauert, bis eine solch große Datei verschickt ist. Bis dahin habe ich deine gesamte Sippe ausgerottet…“
Maria antwortete wieder durch das Telefon, während wie bewegungsunfähig vor dem Vampir standen und die Hände in die Höhe hielten: „Das mag sein. Aber ich habe die erste Hälfte des Gesprächs gerade auf einen Stick gezogen und den versteckt. Und jetzt gerade öffne ich eine Email an die Polizei und habe auch das Handy in der Hand, um sie jederzeit anzurufen. In der Email steh auch wo der Stick ist, also du Blutsauger, lass meine Brüder frei!“

Der Vampir trat langsam zu mir heran und zog mit der einen Hand das Telefon aus meinem Gürtel, ohne jedoch die Pistolen loszulassen. Er hielt sich das Telefon vor den Mund und brüllte: „Ich werde deine Brüder mitnehmen und wenn du der Polizei nichts sagst, lasse ich sie vielleicht leben. Ein Anruf von mir und ich weiß, ob du dich bei der Polizei gemeldet hast. Und wenn du das tust, sind deine Brüder tot. Merk dir das!“
Er warf das Telefon auf den Boden und zerstörte es mit einem Tritt. Dann winkte er mit der Pistole auf das Auto und befahl: „Ihr werdet meinen Diener in den Kofferraum legen und dann einsteigen. Dave, du fährst, Eric ist mir da zu gewieft!“

Wir sahen ein, dass wir keine Chance hatten uns zu wehren und gehorchten, während uns das Herz wie wild pochte. Johnny und Eric legten den regungslosen Shih in den Kofferraum und mussten dann zusammen auf dem Beifahrersitz Platz nehmen. Der Vampir stieg auf den Rücksitz und befahl mir, dass ich mich hinters Steuer setzen sollte. Ich gehorchte und steckte zitternd den Autoschlüssel ins Schloss, der an meinem Schlüsselbund befestigt war. Ich spürte das kühle Metall einer P8 im Nacken, während ich den Motor anließ. Johnny musste halb auf dem Schoß von Eric sitzen, um nicht herunter zu fallen. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass auch die beiden eine Pistole im Nacken hatten.
„Los fahren! Du hältst dich an meine Anweisungen!“, zischte der Vampir und ich rollte im Rückwärtsgang aus der Garage.
„Licht an!“, befahl der Vampir und wies mich auf meinen beliebten Fehler hin, das Licht zu vergessen. Selbst die Befehle des Führerscheinprüfers waren mir nicht so verhasst gewesen, wie die Stimme dieses Monsters, das uns umbringen wollte. Ich schlug das Lenkrad ein und wir fuhren los. Die Sekunden dehnten sich zu Stunden, während uns der Vampir nach links auf die Straße navigierte, unsere Vorstadt in die Richtung des nächsten Dörfchens verließ.
Ich sah beim Fahren, dass meine Brüder ebenfalls vor Angst zitterten, nur führte das bei ihnen nicht zum Ruckeln beim Schalten oder der leichten Schlagenlinie, mit der ich unser Dorf, das als Vorstadt zur Universitätsstadt gehörte, verließ. Wir fuhren an dem Waldstück vorbei, wo wir Softair spielten und ich verabschiedete mich im Geist schon von meiner Familie. Nach einer Wiese befahl mir der Vampir, in einen Waldweg einzubiegen. Doch eine Schranke hinderte mich am Weiterfahren und so musste ich anhalten, bevor wir dieses ehemalige Militärgelände, und jetzige Naturschutzgebiet mit vielen Teichen, durchfahren konnten.
„Aussteigen!“, zischte der Vampir und sprang so schnell aus dem Auto, dass wir gar nicht reagieren konnten.
Er stellte sich vor den Wagen und richtete die Pistolen so auf uns, dass wir an Flucht gar nicht zu denken brauchten. Eine Stimme sagte mir, dass er uns hier im Wald exekutieren wollte, um nicht das Auto mit Blut zu bespritzen. Wahrscheinlich würde er das so schnell, wie möglich tun, um sich danach Maria und vielleicht den Rest der Familie vorzunehmen.
Während ich mich, wie befohlen, neben meine Brüder vor den Vampir stellte, fuhren mir alle möglichen Gedanken durch den Kopf, zum Beispiel, der, dass ich noch nicht bereit zum Sterben war. Und, was würde dann geschehen?
Ich erinnerte mich daran, wie ich mich mit Jeri immer mal wieder über das Thema unterhalten hatte. Wir kannten uns aus der Schule und hielten regelmäßig Kontakt, auch wenn er mittlerweile in der Nähe meiner Großeltern Theologie studierte. Obwohl ich sonst mit dem ganzen Krams vonwegen Glauben und so nicht viel anfangen konnte, wünschte ich mir doch gerade, dass ich da so sicher sein könnte, wie Jeri. Der hatte immer gesagt: „Dave, du bist wie jeder Mensch ein Sünder, weil du falsche Dinge getan hast, die dich von Gott trennen. Das gilt auch für mich. Da Gott aber alle Menschen liebt, sandte er seinen Sohn Jesus Christus, der am Kreuz für deine und meine Schuld starb. Jesus erstand an Ostern wieder vom Tod auf und jeder das glaubt, kann ewiges Leben im Himmel haben, statt in die Hölle zu kommen.“
„Glaube ich aber nicht…“, hatte ich immer gesagt und das Thema damit beendet. Aber während ich in den Lauf der P8 sah, wünschte ich mir, es glauben zu können. Jeri hatte Glück, selbst wenn er Unrecht haben solle, was ich ihm aber leider nie beweisen konnte, da ich dafür keine Argumente hatte – dann vertraute er doch in jeder Alge auf einen Gott, von dem er glaubt, dass er immer bei ihm ist. Wie gerne, hätte ich das gerade auch so glauben können; aber als Biologe glaubt man einfach nicht daran, dass die Welt von jemandem geschaffen wurde…

„Bereiten wir dem ganzen Spaß ein Ende!“, sagte der Vampir und grinste uns diabolisch an.
Einen Schuss später lag der Vampir schreiend am Boden und ein großer Mann kam von der Straße her zu uns gelaufen. Im Lauf legte er einen weiteren Bolz auf seine Pistolenarmbrust und legte sie auf den Vampir an, der offensichtlich noch nicht gestorben war.

Ich jubelte, als ich in der großen, schlanken Gestalt meinen Freund Thoralf erkannte. Mit wippendem Schritt und entschlossenem Gesicht stellte er sich vor den Vampir und richtete die Armbrust auf den Vampir, während er mit der Linken eine Axt aus seinem Gürtel zog. „Das Passwort!“, brüllte er den Vampir an, der sich mit dem Bolzen in der Brust auf dem Boden krümmte und leise röchelte.
Johnny löste sich als erster aus der Erstarrung, zog sein Taschenmesser und stellte sich neben Thoralf. Ich nickte ihm nur kurz zu und schaute wie gebannt auf das verzogene Gesicht des Vampirs.
„Das Passwort, habe ich gesagt!“, wiederholte er und trat dem Vampir in den Bauch.
Der Blutsauger schrie auf und hauchte dann eine Kombination von Zahlen und Buchstaben: „C4HI8A15JN16G23SH41IH.“ Eric notierte die Zahlen mit seinem iPhone, dass er aus der Hosentasche gezogen hatte – er ging nirgendwohin ohne das Teil – und probierte sie aus. „Lüge!“, sagte er und kam ebenfalls näher.
„Ok, fangen wir mit deinen Fingernägeln an!“, sagte Thoralf, gab mir die Armbrust und kniete sich mit der scharfen Axt neben den Vampir.
„Zweiundvierzig!“, zischte der Vampir und versuchte, sich von Thoralf wegzudrehen.
„Bitte was?“, fragte Thoralf und zog die gekrümmte rechte Hand des Vampirs zu sich heran, während er die Axt hob.
 „Zweiundvierzig, statt einundvierzig!“, antwortete der Vampir, während ihm die Angst ins Gesicht geschrieben stand.
„Ok…“, sagte Eric und las die Zahlen und Buchstaben vor, die er eintippte „…C4HI8A15JN16G23SH42IH.“
Dann bestätigte er mit Enter und jubelte leise: „Es geht. Wir sind drin!“
„Zschtuck-ck-ck!“, machte der Bolzen, der von der Sehen der Pistolenarmbrust mit einer Kraft über 100 Pfund in das Herz des Blutsaugers sauste. Der Vampir tat seinen letzten Atemzug.
Thoralf hängte sich Armbrust und Axt wieder an den Gürtel und warf sich die Leiche über die Schulter. „Das wars, meine lieben Dreien!“, sagte er und stapfte an unserem Auto vorbei zur Straße.
Er hatte in einiger Entfernung einen alten Wagen geparkt, den er sich wohl erst während seiner Abwesenheit zugelegt hatte. Wir folgten ihm. Johnny war ganz aufgebracht: „Mensch, Thoralf, Dave hat uns alles erzählt. Wie kann es sein, dass du überlebt hast? Bist du etwa, die Nummer Sechs auf der Liste?“
„Das bin ich.“, nickte Thoralf. „Aber das sind alles keine Fragen für jetzt. Ich werde die Leiche entsorgen und mich auch um den Shih in eurem Kofferraum kümmern.“
Ich öffnete ihm den Kofferraum, und er schob den toten Vampir hinein. Dann kam er zu unserem Auto, um auch den Shih mitzunehmen.
„Mensch, Thoralf, warum hast du dich denn nicht gemeldet?“, fragte ich und wunderte mich, dass mein Freund so schweigsam geworden war.
„Das wäre viel zu gefährlich gewesen. Sie jagen mich nun schon seit sieben Monaten, aber ich war ihnen immer einen Schritt voraus. Du weißt ja, was für ein Fantasy-Fan ich war, so dass ich alles kenne, was jemals über Vampire geschrieben wurde.“, antwortete er und schloss den Kofferraum.

Dann legte er mir die Hand auf die Schulter und sagte: „Aber für mehr ist keine Zeit. Ihr müsst sofort zurück und das System löschen. Eric wird eine Weile dafür brauchen. Ich wäre euch sehr dankbar, wenn mein Name dann auch nicht mehr auftauchen würde.“
„Ich werds versuchen, auch wenn man ab Stufe fünf meines Wissens nach auch auf Länderebene geführt wird.“, sagte Eric.
Thoralf zog seinen Autoschlüssel. Dann sagte er: „Das mag sein, aber versuchs einfach. Und danach besuchst du die Website am besten nie mehr! Ihr könnt das, was ich nie wieder können werde: Euer Leben leben!“
„Du glaubst gar nicht, wie dankbar wir dir sind, dass du uns das Leben gerettet hast!“, sagte ich und gab ihm die Hand.
Thoralf schüttelte den Kopf und öffnete seine Wagentür. „Vergesst es, Jungs. Ihr habt mir damals meinen Killer vom Hals geschafft. Soweit ich weiß, hat er für euch nur einen kurzen Umweg gemacht. Seitdem er tot ist, gab es keinen, der euch mit mir in Verbindung gebracht hat, so dass man euch nur eine Drei gegeben hat. Bei mir hat der Mord an einem Vampir immerhin zu einer Sechs geholfen, aber das klären wir nicht mehr heute. Denkt dran, wenn sich irgendwann mal ein Mr. Lost bei euch meldet, dann werde ich das sein…“, sagte er und stieg ein.
Ich kam nicht mal dazu, ihm alles Gute zu wünschen, da hatte er schon den Motor gestartet und mit quietschenden Reifen die Einfahrt verlassen. Wir beeilten uns ebenfalls einzusteigen und schnellstmöglich nach Hause zu fahren. Maria wusste schon über Skype von Erics iPhone, dass alles gut ausgegangen war und erwartete uns.

Zuhause angekommen sammelten wir schnell unsere Waffen aus der Garage und verkrochen uns mit Maria in Erics Zimmer. Der begann sofort, sich in das System einzuloggen und die Datenbanken nach uns und Thoralf zu durchforsten.
Währenddessen ließ sich Maria von Johnny und mir über alles Erlebte aufklären. Johnny wirkte ein wenig bedrückt, während ich den Schock noch nicht richtig verarbeitet hatte. Immerhin konnten wir Maria dazu bringen, uns nochmals zu versprechen, dass sie keinem etwas davon erzählen würde, bis wir es uns völlig geschafft in Decken auf Matratzen, die wir in Erics Zimmer schleiften, gemütlich zu machen. Was für eine Nacht!!!

Soviel bis hierher. Ich werde nur so viel verraten: Wir sind endgültig aus der Datenbank gelöscht. Was für ein Glück! Hoffentlich werden wir das Ganze nun endlich vergessen können – so gut es eben geht. Ich wünsche Thoralf alles Gute für seine Flucht, sollte er diese Website einmal lesen.

Grüße
The Runner

11. Eric, du sollst nicht hacken…

Hallo Leser,
es ist lange her, dass ich das letzte Mal dazu gekommen bin, von meinen Erlebnissen zu berichten. Ja, seit den Erlebnissen, die meine Brüder und ich bei meinen Großeltern hatten ist schon ein halbes Jahr ins Land gestrichen. Aber das werde ich nun nachholen…

Wenn ich ehrlich bin, dann studierte ich zu Beginn des neuen Semesters nur sehr halbherzig und nicht mit viel Engagement. Da Thoralf ja nicht mehr da war, fehlte es mir etwas an Kontakten und ich hatte sowieso keine Ambitionen auf die Suche nach Freunden zu gehen, da ich nicht sicher war, ob ich für die Menschen in meinem Umfeld nicht vielleicht eine Gefahr darstellte. Wurde ich noch beobachtet? Ich wusste es nicht. Manchmal hatte ich den Eindruck ich hätte diesen oder jenen Studenten noch nie vorher gesehen und war sehr darauf bedacht, nicht verfolgt zu werden.

Wenn ich so drüber nachdenke, dann waren eigentlich nur die Zeiten mit meinen Brüdern wirklich unbeschwert. Ihnen gegenüber musste ich nicht heucheln, ein ganz normaler Student zu sein, der in seinem Leben noch nichts Großartigeres erlebt hat, als das Kentern in einem Kanu auf der Ostsee…
Johnny war immer ganz euphorisch auf der Suche nach neuen Vampiren. Ich glaube, er hat mittlerweile jedes Vampirbuch zweimal gelesen und jeden Vampirfilm zehnmal gesehen. Er ist dem örtlichen Karate-Verein beigetreten, hat mittlerweile den gelben Gürtel und versteht sich einigermaßen auf Bogenschießen und sogar Schwertkampf. Ich lasse mir von ihm hin und wieder einige Kniffe zeigen, oder gehe mit ihm und Eric in den Wald, um Softair zu spielen. Die Bewegung lenkt uns ab und gibt uns ein Gefühl der Sicherheit – auch, da wir mittlerweile alle Luftpistolen haben und damit immer mal wieder üben. Es will einfach in meinen Kopf nicht rein, dass alles vorbei ist. Natürlich wissen wir, dass es noch andere Vampire geben muss – irgendwo da draußen, aber wir hoffen, dass wir für sie nicht interessant sind. Wir haben es tunlichst vermieden, irgendetwas über das Thema mit Fremden zu sprechen, oder gar im Internet darüber zu schreiben.

Während ich mittlerweile die ganze Bibliothek durchforstet und leider nicht sehr viel rausgefunden habe, war Eric damit beschäftigt, sich über das Internet zu informieren. Erstaunlicherweise gibt es dort nicht eine einzige sinnvolle oder gar naturwissenschaftliche Erklärung über Vampire. „Ist ja auch logisch, weil es keine gibt…“, würde jeder Mensch denken, aber wir wissen es besser. Weil sie das Netz überwachen und alles Verdächtige entfernen. Da war Thoralfs Kommentar noch das plausibelste, was es im ganzen Netz gibt – auch wenn wir mittlerweile wissen, dass seine Theorie nicht ganz richtig war. Vampire haben einen Petidasendefekt, der über einen mutierten Humanpathogenen Virus übertragen wird. Sie sind gezwungen vorverdaute Nahrung aufzunehmen und dazu eignet sich Blut besser als alles andere, auch wenn sie Dank der Technik mittlerweile sicher auch durch Nahrungsergänzungsstoffe leben können. Sie vermehren sich, indem man durch Tröpfcheninfektion die Viren aufnimmt, die sich lysogen, also eingebaut in die DNA der Zellen, innerhalb des Körpers vermehren. Ich vermute ja, dass die Viren sobald in den lytischen Zyklus übergehen, wenn die Zellen tödlich verletzt bzw. großem Stress ausgesetzt werden. Meine Theorie ist also, dass ein Infizierter dem Tode nahe sein muss, bis die sterbenden Zellen lytisch werden und so viele Vampirviren freigeben, dass der gesamte Organismus infiziert wird und so mutiert.
Interessanterweise stellten wir fest, dass Vampire außerdem im Laufe der Evolution zusätzliche Eigenschaften entwickelt haben. Sie sind schneller und stärker als gewöhnliche Menschen und haben bleichere Haut, da sie empfindlich auf Sonnenlicht reagieren. Vermutlich führt das angeregte Immunsystem, dass die Vampiren vor dem Altern bewahrt (eventuell durch vermehrte Neubildung von Zellen?) dazu, dass einige Reparaturmechanismen nicht mehr gewollt funktionieren. So halte ich es für möglich, dass der Körper der Vampire nicht in der Lage ist, die durch UV-Strahlung ausgelöste Dimerisierung von Thymin schnell zu regenerieren…

Meine Brüder lassen sich immer wieder aufs Neue meine Theorien erklären und versuchen selbst, ihrerseits alle möglichen Informationen zu ergattern. So kam Eric mit Johnny letztens zu mir ins Zimmer und meinte: „Dave, du wirst es nicht glauben, was ich letztens in einem gesperrten Forum gelesen habe…“
Gespannt legte ich mein Verhaltensbio-Skript zur Seite und schaute auf: „Nun, dann schieß los, was du in einem Forum erfahren hast, dass es eigentlich gar nicht geben dürfte.“
Eric nickte und warf sich aufs Bett: „Da hast du recht. Wenn ich gesperrt sage, dann meine ich gesperrt. Da stand irgendwas von wegen „aus Sicherheitsgründen ist diese Website gesperrt“ und da konnte ich meine Finger nicht von lassen. Also habe ich ein bisschen recherchiert und rausgefunden, dass in dem Fall der BND seine Finger im Spiel hatte. Da ich aber den Link zu dem Forum in so einer Verschwörungstheoriecommunitiy gefunden hatte, war ich wirklich neugierig. Es hat zwei Tage gedauert, aber dann war ich drinnen und habe festgestellt, dass sie den Server gar nicht wirklich sperren konnten, da er in Russland steht. Auf besagtem Server gab es ein Forum, in dem es um Geheimbünde ging. Und, du wirst es nicht glauben, da vertrat tatsächlich einer der User die Meinung, dass es gibt einen uralten, reichen, technisch perfekt ausgerüsteten Geheimbund gäbe, der die Regierungen übernehmen will. Erst habe ich es für eine Spinnerei gehalten, aber dann ist mir aufgefallen, dass wenige Minuten nach diesem Post der komplette Server gesperrt worden ist.“
Johnny nickte eifrig: „Mensch, Dave, das ist wie bei der Sache mit Thoralf.“
Eric stimmte ihm zu und spielte mit seinem Taschenmesser, dass er immer bei sich trug. „Ja, so ist es. Ich habe dann den ganzen Thread gelesen und ein wenig recherchiert und rausbekommen, dass diese Organisation angeblich in China sitzt und "Chiang-Shih" heißt. Nach ihnen ist eine moderne Zombielegende bekannt, die sie angeblich selbst geschürt haben. Also die Theorie war, dass dieser Orden uralt ist und dass er in den verschiedensten Formen durch die gesamte Geschichte zu verfolgen ist. Drachenorden, Templer, Illuminati, Freimaurer und Ku-Klux-Klan sind Ableger beziehungsweise Unterorganisationen von Chiang-Shih. Immer wenn es um viel Geld, Macht und streng geheime Organisationen geht, soll Chiang-Shih dahinter stecken. Das ist von daher interessant, da der Ku-Klux-Klan beispielsweise für Vampire die optimale Ausrede war im relativ zivilisierten Süden bis ins 20. Jahrhundert hinein maskiert zu sein und Schwarze unauffällig zu töten. Da der Ku-Klux-Klan zeitweise fast eine halbe Millionen Anhänger hatte, ist davon auszugehen, dass es auch viele Menschen gibt, die in irgendeiner Art und Weise für Chiang-Shih arbeiten…“

Ich trommelte ein wenig ungeduldig auf den Schreibtisch. „Was genau willst du damit sagen? Haben wir drei nicht schon genügend Verschwörungstheorien für den Rest der Welt? Musst du da noch mit einem russischen Forum ankommen?“
Eric warf das Taschenmesser in einem Bogen in die Luft und fing es geschickt auf: „Falsch gedacht. Was wir uns alles zusammen gereimt haben, ist nur der Anfang! Denn, ob du es glaubst oder nicht, es gibt tatsächlich Informationen über Chiang-Shih, wenn man auch wissen muss, wie man die im Internet findet. Ich habe nen Bot geschrieben und laufen lassen, der mir nach drei Nächten einige interessante Ergebnisse geliefert hat. Diese Seiten kriegst du jedenfalls nicht bei Google! Also, es gibt tatsächlich eine Sekte von Menschen, die an die mächtigen Chiang-Shih glauben. Sie verehren sie und folgen den Befehlen, die sie von ihnen aus einem seltsamen Programm bekommen. Sie glauben, die Chiang-Shih sind Halbgötter, da sie ewig leben…“
„Und Vampire altern ja nicht, oder zumindest nur sehr langsam, wie du vermutest, Dave.“, fiel ihm Johnny ins Wort.
Eric ließ sich nicht unterbrechen: „Ja, genau. Und außerdem bringen die Sektenanhänger. Sie nennen sich Shihs, ihren Meistern Blutopfer, die sie an den genannten Orten in Glasphiolen nachts hinterlassen. Früher haben sie das wohl immer per Briefe geregelt, aber seit dem Informationszeitalter, gibt es ja für alles Programme…“
Jetzt war ich an der Reihe zu staunen: „Du meinst, es gibt Menschen, die über das Internet Befehle von Vampiren ausführen. Das wird ja immer krasser.“
„Und jetzt kommt das allerbeste…“, warf Eric triumphierend ein und verließ ohne etwas zu sagen, das Zimmer.
Dann kam er mit seinem Laptop wieder rein und hielt ihn Johnny und mir unter die Nase. Ein kleiner Chatkasten leuchtete rot auf einer ansonsten schwarzen Internetseite. Erics Grinsen war kaum zu überbieten, während er uns aufklärte: „Das Programm war natürlich zehnfach gesichert, aber ich konnte es knacken, zumindest einen Teil. Das Programm ist regional untergliedert. Es gibt für jedes Land eine eigene Rubrik und dann sogar für jedes Bundesland…“
„Und, konntest du was über Deutschland rauskriegen?“, fragte Johnny neugierig und zappelte wie wild auf der Bettkante herum.
„Nein, auf Bundesebene komme ich nicht rein. Je niedrigrangiger ein Bereich ist, desto weniger ist er verschlüsselt. Ich habe es aber hinbekommen, unsere Stadt zu öffnen…“
Schnell tippte er einige Passwörter ein und öffnete dann eine Art  Protokoll des letzten Jahres. Es gab etwa 50 Einträge seit Jahresbeginn und Eric scrollte bis nach unten. Dort stand geschrieben: „Juri starb auf einer Mission gegen die Ungläubigen. Sein Shi komme über uns. An alle Shihs: Behaltet die S. im Auge.“
Johnny konnte sich nicht mehr halten, er begann im Zimmer auf und ab zu laufen: „Shit, Mann, das ist unser Typ, der im Auto explodiert ist. Der kommt also von hier! Das heißt, wir stehen die ganze Zeit unter Beobachtung…“
„Das kannst du laut sagen. Guckt mal hier…“, sagte Eric und scrollte wieder hoch „…jeder fünfte Eintrag beschäftigt sich mit den S. und was sie die Zeit über gemacht haben. Hier, 30.04.11: S1 arbeitet in Bibliothek, ist nervös. Habe festgestellt, dass er bloß B.A. ist. Offensichtlich ungefährlich, aber im Auge behalten. Oder hier: 14.5.11: S2 beschäftigt sich mit Hacken. Mal IT drauf ansetzen.“

Mir lief es eiskalt den Rücken runter, während ich mir mit den anderen nochmal alle Einträge über die „S.“ durchlas. Wir waren also die ganze Zeit beobachtet worden, auch wenn die Shihs nicht sonderlich viel über uns rausbekommen hatten. Wir waren einfach zu vorsichtig und unnahbar gewesen, als das man viel über uns hätte rausbekommen können.

Johnny knackte mit den Fingern: „Es geht wieder los. Wenn ich mir die Nutzer anschaue, dann gibt es mindestens einen, der die Befehle gibt und drei Shihs.“
Eric nickte: „Ja, wir haben in der Stadt mindestens einen zuständigen Vampir und es gibt noch einen, der einmal im Monat vorbei schaut. Aber so wie ich das sehe, droht uns erst einmal keine Gefahr. Sie haben uns auf ihrem Schirm, aber sie haben uns auf der Unbedenklichkeitsskala eine drei gegeben.“
„Und wie hoch geht die Skala?“, wollte ich wissen.
„Von null bis zehn. Null hieße, du weißt nicht, was ein Vampir ist, und zehn hieße, du bist Van Helsing. Man weiß nicht, dass wir wissen, dass wir es mit einem echten Vampiren zu tun hatten. Man nahm an, dass wir den Typen für einen Wahnsinnigen halten würden, auch wenn man sich nicht sicher ist. Wären wir nur ein alleinstehender Typ ohne Familie, hätte man uns mit einer drei schon umgelegt. Aber bei den Connections die wir haben, müssten wir schon eine fünf haben, damit sich das Risiko lohnen würde.“
Ich kratze mich am Kinn und dachte nach: „Nun, es beruhigt mich ja zu wissen, dass wir aktuell nicht auf der Todesliste stehen, aber dass man uns überwacht, macht mir mehr als Angst. Vor allem eben, dass es sogar hier in unserer Stadt Vampire gibt…“

Eric zuckte die Achseln: „Was hast du erwartet? Dass es nur einen Vampir gibt, der zufällig Thoralfs Post findet und uns dann verfolgt? Rein statistisch gesehen, ist das mehr als unwahrscheinlich. Spätestens, seit ich eben das Programm geknackt habe, weiß ich, dass die Chiang-Shih-Theorie richtig ist. Ich wollte ganz sicher sein, bevor ich euch Angst mache. Ich meine, wir haben es hier mit einem weltweiten Netz von Vampiren zu tun. Es gibt eine Firma, deren Namen ich vergessen habe, die zu Chiang-Shih gehört und die hat jährlich Milliardenumsätze. Beschäftigt sich mit Rüstungstechnologie, Spionage und so‘n Krams. Wir haben uns also dummerweise mit einem Gegner angelegt, dessen Möglichkeiten wir bei weitem unterschätzen. Wer weiß, welche Technologien die Vampire in den letzten Jahrhunderten im Geheimen erforscht haben? Ja, wer weiß, inwieweit sie bereits jetzt die Regierungen der Erde unter ihrer Kontrolle haben?“

Je stärker die Erkenntnis dessen, was Eric sagte, in mein Gehirn drang, desto mehr wuchs auch die Angst. Ja, ich hatte sogar Angst, dass sich in meinem Zimmer Wanzen oder ähnliches befinden könnten, so dass ich unwillkürlich die Stimme etwas senkte: „Das heißt ja letztendlich, dass wir nicht den Hauch einer Chance haben. Gegen einen solchen Gegner kann man nicht gewinnen, erst recht, wenn es ihn offiziell nicht gibt, bzw. geben darf.“

Eric stimmte mir zu: „Ja, da hast du recht, Dave. Dagegen kann man nicht gewinnen. Wir können nur hoffen, dass unser Rating nicht noch mehr steigt. Das heißt, wir müssen den Anschein wahren, als sei alles in Ordnung und uns möglichst ruhig und unauffällig verhalten.“

Ich sah Johnny an, dass auch er Angst bekommen hatte. Er redete ebenfalls etwas leiser: „Shit, Eric. Mann, wenn du dich bei denen reinhackst, dann wissen die doch, dass wir uns eine goldene Zehn auf der Skala verdient haben. Die können doch deine IP verfolgen. Mann, wenn das rauskommt sind wir geliefert…“

„Langsam, langsam…“, sagte Eric und legte Johnny die Hand auf die Schulter „… ich bin da natürlich verschlüsselt rein. Aber wenn die mich da erwischen, dann sind wir sowieso geliefert. Wenn wir ne zehn sind, dann schicken die uns hier ne ganze Armee von Vampiren rein und töten unsere ganze dämliche Vorstadt. Aber so einfach ist das für die auch nicht. Die Shihs kommen ja auch in das System rein und davon gibt es weltweit mehr als Zehntausend, habe ich rausgefunden. Soweit ich das sehe, ist das System sozusagen gestaffelt und die einzelnen Einheiten sind separat und liegen auf unterschiedlichen Servern, damit man nicht einfach so reinkommt. Bisher habe ich mich nur in unser Stadt-System eingehackt und daher könnte es nur einer der lokalen Admins mitbekommen.“

„Und was heißt das auf Deutsch?“, hakte ich nach.
Eric sagte: „Ist dir das nicht klar? Das heißt, dass nur diejenigen, die im System unserer Stadt sind, das ganze mitbekommen könnten. Wir müssen daher rausfinden, wer um alles in der Welt das konkret ist, und ob er uns gefährlich werden könnte. Ja, ich weiß zwar nicht, wie gut die Vampire außerhalb des Internets verknüpft sind, aber ich könnte mir fast vorstellen, dass man selbst unsere Einstufung in der Datenbank des Systems löschen könnte, wenn man einen Admin-Zugang hätte.“

„Mensch, das sind ja mal News…“, sagte Johnny kopfschüttelnd und setzte sich wieder hin „… aber immerhin ist die Wartezeit vorbei. Endlich können wir was tun. Ich schlage raus, dass Eric sich noch weiter mit dem System beschäftigt – immerhin ist er sowieso einmal drinnen und wenn sie das rausfinden, sind wir sowieso schon tot. Und Dave und ich halten die Augen offen, an den Orten, an denen wir bisher beobachtet wurden. Wenn wir nur an einen der Shihs rankommen, die uns ausspitzeln, dann kommen wir vielleicht auch an den Admin ran!“

Ich konnte ihm nur zustimmen. Nichtstun half uns jetzt auch nicht weiter: „Ja, Johnny hat recht. Und wer weiß, wenn wir rausbekommen, wer die anderen Leute sind, die unter Beobachtung stehen, dann können wir vielleicht einen Verbündeten finden…?“

Eric nickte, während er uns darauf hinwies, dass es in unserer Stadt mehrere Menschen der Kategorie zwei und sogar einen der Kategorie sechs gab.
„Den müssen wir finden!“, meinte er und setzte sich wieder an seinen Laptop, während Johnny und ich planten, wie wir die Spitzel finden könnten…

Soweit erst einmal. Ich habe gerade nicht mehr Zeit weiterzuschreiben, werde dies aber sicherlich irgendwann tun.

Ein netter Tipp von mir: Lest diesen Blog nicht zuhause, sonst könnte man eure IP zurück verfolgen…

Euer
The Runner