Mittwoch, 7. September 2011

12. Maria, geh schlafen!

Hallo,
ich habe es beim letzten Mal nicht geschafft die Geschichte zu Ende zu erzählen, das soll sich nun ändern. Zu wissen, dass man von einer Vampirgilde beobachtet wird, ist nicht gerade eine entspannende Gewissheit, doch lest selbst…

Es waren Wochen, nein Monate, die wir in stupidem Warten verbrachten, seit wir dank Eric wussten, dass es immer noch eine Menge Vampire gab und dass sie uns auf ihrem Radar hatten. Absolut niemand fiel uns auf, den wir für einen Shih, als Vampirjünger oder einen echten Vampir halten konnten. Trotzdem erschienen im Chiang-Shih-Chat unserer Stadt mehrere Posts über uns. Es ging keine Woche vorbei, an der wir nicht irgendwie beschattet worden waren, aber wir wurden aus den Einträgen einfach nicht schlau: „S1 lernt in der BiBo, scheint wenig konzentriert.“, war da über mich zu lesen. Aber da saßen hunderte in der Bibliothek und ich konnte mich nicht mal an ein Gesicht erinnern, dass mir verdächtig gewesen wäre. So erging es auch Eric auf seiner Arbeit. Man wusste, wann er Mittagspause machte und sogar an welchen Projekten er arbeitete, aber der Turm, wo er zur Arbeit ging, war weithin sichtbar und auf dem Platz davor tummelte sich das Stadtleben.

Eines Tages trafen Eric und ich uns zum Mittagessen draußen vor einer Pizzeria, die hauptsächlich von Studenten aufgesucht wurde im Zentrum der Stadt. Es war ein warmer Spätfrühlingstag und Eric saß lässig mit einer Sonnenbrille auf seinem Stuhl. Doch was er mir erzählte, während wir auf unsere Quattro Formaggi warteten, war alles andere als entspannt: „Heute ist zum ersten Mal ein Eintrag über S5 in der Datenbank aufgetaucht. Sie haben mittlerweile nicht nur uns drei und Maria, sondern auch Yoda auf dem Schirm. Man scheint uns nicht zu trauen, und dehnt unsere Überschattung aus. Ich vermute stark, dass sie uns bald die Bedenklichkeitsstufe vier geben werden.
Ich nippte an meiner Spezi und warf währenddessen ein paar unauffällige Blicke zu den Leuten in nächster Nähe. Aber es konnte uns keiner von ihnen hören, dafür war es einfach zu laut. Nervös fragte ich: „Was heißt das? Hetzen sie uns dann Killer auf den Hals?“
Eric zuckte die Schulter: „Ich denke nicht! Soweit ich weiß, würden sie uns bei einer vier nur dann aus dem Weg schaffen, wenn wir drei alle gemeinsam so ausgeschaltet werden könnten, dass es keiner mitbekommt. Also zum Beispiel beim Autofahren.“
„Aber das haben wir ja nur zu dritt seit dem Besuch bei unseren Großeltern nicht mehr getan.“, warf ich ein.
Eric nickte:  „Und das ist auch gut so. Ich habe in letzter Zeit darauf aufgepasst, dass wir das vermeiden. Aber, hör zu: Ich mühe mich seit Wochen ab, aber ich komme einfach nicht in eine höhere Ebene rein. Das ist zu gut gesichert und da braucht man tatsächlich ein Passwort für. Es wird also Zeit, dass wir etwas unternehmen!“

Mir fuhr ein Schauer über den Rücken, als mir klar wurde, was das zu bedeuten hatte: Wir würden uns absichtlich in die Höhle des Löwen begeben. Eines Löwen, der weltweit agierte, uralt war und über Möglichkeiten verfügte, die wir uns kaum vorstellen konnten. „Und was hast du vor?“, fragte ich mit trockener Stimme.
Eric biss sich auf die Lippe: „Ich werde von meiner Möglichkeit in unserem Chat zu schreiben, Gebrauch machen. Ich habs heute Morgen Johnny schon erzählt. Wir werden sie an einen Ort locken, an dem wir sicher sein können, dass es kein Zufall ist, dass sie uns begegnen.“
Das gefiel mir gar nicht, aber ich sah ein, dass es nötig war: „Na gut, aber das ganze muss so perfekt geplant sein, dass wir im Notfall die Vampirjünger und die Blutsauger erwehren können.“
Eric sagte: „Ja, allerdings. Ich werde eine solche Nachricht hinterlassen, dass sie das Ganze für harmlos halten werden und uns höchstens einen Shih nachschicken.“
„Und was könnte so harmlos ein, dass sie jemanden schicken, der aber alleine kommt?“, hakte ich nach.
Eric überlegte, während man uns die Pizzas brachte und begann dann mit Essen, ohne weiter etwas zu sagen. Ich sah, dass er überlegte und entschloss mich, auch erst mal meinen knurrenden Magen zu bekämpfen.

Unsere Mittagspause war zu Ende und uns war immer noch keine Möglichkeit eingefallen. Wir verabschiedeten uns und verabredeten uns später in Erics Zimmer, um zuhause darüber mit Johnny zu reden. Eric ging wieder zu seiner IT-Firma, während ich mir die nächste Vorlesung in Evolutuionsbiologie gab…

Nach dem Abendbrot dauerte es keine zwei Minuten, bis wir alle bei Eric im Zimmer saßen. Eric hatte das Shih-Programm geöffnet und schaute sich noch einmal alle vergangenen Posts an.
Johnny spielte mit dem Elektro-Schocker, den er seit einigen Monaten stets am Gürtel trug. „Ich werde ihn dem Gesetz gemäß auch nur gegen Tiere einsetzen!“, hatte er grinsend gesagt, als das Teil mit der Post gekommen war. Ich spürte meinen Bruder Johnny ab, dass ihn etwas beschäftigte. Er war hippeliger als sonst, wartete aber, bis Eric und ich das Gespräch begannen.
Eric blickte von seinem Protokoll auf und meinte: „Ich habs. Ich weiß, was wir machen. Wir werden sie bei ihrer Schwachstelle packen, und die ist, dass sie alles wissen müssen. Und das, was sie am meisten wissen möchten, ist, wie sie uns aus dem Weg räumen können. Ich werde daher einem der Shih eine private Nachricht schreiben, die ich tarne, als ob sie von einem Admin wäre. Dort werde ich ihm schreiben, dass S1 bis S3 früh am nächsten Tag zusammen auf eine Waffenausstellung der Bundeswehr fahren wollen. Ich müsste mich wirklich irren, wenn  dieser Shih nicht nachts in unserer Garage auftauchen würde, um zu sehen, ob er am Auto rumbasteln kann.“
Johnnys blaue Augen glänzten, während er anfing zu sprechen: „Und warum nur einem Shih? Wieso nicht gleich dem zuständigen Vamp für unsere Stadt? Ein Shih wird doch wohl kaum die Zugangsdaten ins System haben. Und außerdem, was willste mit dem machen? Wir müssten ihn töten, damit er nicht verrät, dass wir alles wissen. Könntest du etwa einen Menschen töten? Also dann doch lieber einen Blutsauger! Da täten wir der Welt sogar noch einen Gefallen!“

„Auch wenn mir das Ganze wirklich Angst macht, hat Johnny recht. Wir können mit einem Shih nichts anfangen. Würden wir ihm das Versprechen abnehmen, uns nicht zu verpfeifen, dann würde ein Wort von ihm uns eine glatte Zehn auf der Todesliste einbringen!“, sagte ich.
„Das stimmt wohl. Also werde ich den zuständigen Vampir diese Nachricht schicken. Jetzt lasst uns alle nötigen Vorkehrungen planen, die dafür sorgen, dass wir den Kerl auch kriegen!“, gab Eric zu.
„Und wie wir die Leiche entsorgen.“, meinte Johnny mit einem undefinierbaren Grinsen. „…ich meine, in Filmen machen sie das meistens mit Benzin…“

Ich schüttelte den Kopf: „Ist gut, Johnny. Das Beste wäre, wenn der Kerl überhaupt nicht auf die Idee käme, dass wir etwas damit zu tun haben. Wie wärs, wir hängen es Nummer Sieben an.“
Eric schlug begeistert die Faust in die offene Hand: „Jawohl, das machen wir. Wir die Außenhülle des Fahrzeugs unter Strom, so dass jeder, der sich dran zu schaffen macht, eine gewischt kriegt. Sobald er dann unter Schock am Boden liegt, werfen wir ihm eine Plane über, und fesseln ihn. Dann kitzeln wir das Passwort aus ihm heraus.“
„Und töten müssten wir ihn dann auch nicht…“, warf ich schnell ein „… wir können ihn in den Wald fahren und dort liegen lassen. Dann schicken wir einem Shih eine Nachricht im Namen von Nummer Sechs, wenn ihr mich versteht. Wir können da auch gleich eine Warnung einbauen, von wegen, wenn ihr weiter in dieser Stadt aktiv seid, lege ich euch um!“

Meine Brüder waren einverstanden und so planten wir die Details. Eric verschickte die Nachricht so, dass wir davon ausgehen konnten, heute Nacht Besuch zu bekommen. Johnny bestand darauf, dass jeder ein Schwert in der Scheide, einen Dolch, einen Holzpflog und einen Elektroschocker im Gürtel haben sollte. Außerdem waren wir mit Luftpistolen ausgestattet. Eric hatte seinen Compundbogen dabei, während Johnny sogar eine Nagelpistole aus den Tiefen seines Schranks gekramt hatte. Dieses Teil hatte er uns bisher noch nicht gezeigt. Ich wollte da doch lieber die Hände für mein Samuraischwert frei haben.
Wir schlichen uns nachts aus dem Hinterausgang unseres Hauses und vereinbarten, dass wir uns an der Stelle im Garten verstecken würden, wo man zwischen den Büschen hindurch auf den Platz vor der Garage gelangte. Eric schloss die beiden Autos unserer Eltern mit einer Kabelrolle und einem zerschnittenen Kabel an die Steckdose an, während Johnny und ich Decken und Essen holten. Es konnte schließlich eine ganze Weile dauern, bis wir Besuch bekommen würden. Wir einigten uns darauf, nicht miteinander zu reden und machten außerdem das Gurren der Taube asl Zeichen aus, dass wir dringend Hilfe benötigten. Dann legten wir uns auf der Decke unter der Hecke hin und warteten…
Wir hatten dort schon einige Stunden unsere Glieder steif gelegen, da hörte man tatsächlich ein Rascheln in der Nacht. Wir fuhren herum und erschraken, als wir eine kleine Gestalt sahen, die sich auf dem Weg von unserem Haus zur Garage befand. Es dauerte einen ganzen Moment, bis ich begriff, wer die Person war. Johnny war schneller gewesen, er sprang auf, rannte zu der Gestalt und fasste sie am Handgelenk. Es war unsere kleine Schwester Maria, die etwa um drei Uhr nachts in einer Jacke, die sie über dem Schlafanzug trug, durch den Garten spazierte.
Johnny wies sie an, leise zu sein und führte sie zu unserem Lager unter der Hecke. „Du musst ganz leise sein. So und jetzt geh schlafen!“, sagte ich ihr und sammelte ein Blatt aus ihrem Haar, dass sich dort verfangen hatte.
„Ich habe euch heute Abend rauslaufen sehen und gemerkt, dass ihr bewaffnet seid als wolltet ihr Russland erobern. Ich will sofort wissen, was ihr hier draußen macht.“, sagte sie.
„Pshhht!“, zischte Eric und hielt einen Finger vor den Mund. „…Glaube mir Schwesterchen, du musst leise sein. Wir können dir jetzt nicht erklären, was wir machen, geh rein schlafen!“
Maria schüttelte energisch den Kopf, so dass die langen Haare durch die Luft wirbelten: „Vergesst es. Ich will das wissen, was das hier soll. Sonst gehe ich und frage Mutti, ob sie weiß, was ihr bewaffnet im Garten macht.“
„Bist du bescheuert!“, fauchte Johnny und sah sie so böse an, dass jeder andere Angst bekommen hätte – jeder, außer unserer Maria.
„Gut, dann bleibe ich eben so lange hier, bis ihr mir erklärt, was los ist!“, sagte sie trotzig.
„Ok, du kommst mit mir rein, da reden wir!“, sagte ich und zog sie am Arm nach oben. Sie folgte mir grinsend, da sie es wieder einmal geschafft hatte, sich gegen uns große Brüder durchzusetzen.
Drinnen schloss ich die Tür ab und zog Maria mit auf die Treppe vor dem Eingang. Leise, um die Eltern nicht zu wecken, flüsterte ich: „Es ist sau gefährlich draußen. Wir haben aus verlässlicher Quelle gehört, dass ein – äh Einbrecher – kommen will, der die Autos knacken will.“
„Aha, und das dürfen Ma und Pa nicht wissen?“, fragte Maria ungläubig.
„Na, wir wollen ihnen keine Angst machen. Außerdem geht es bei der ganzen Sache um – äh …–  um eine Gang mit der wir drei uns Ärger eingehandelt haben...“
Maria rollte mit den Augen: „Das glaubst du doch selbst nicht, Dave. Denkst du, ich wüsste nicht, dass ihr seit einem halben Jahr total komisch geworden seid? Ihr versteckt irgendetwas. Irgendwas Großes. Ihr habt mittlerweile so viele Waffen, dass das BND ganz neidisch auf euch wäre.“
„Es heißt der Bundesnachrichtendienst, nicht das.“, verbesserte ich sie, auch wenn ich wusste, dass ich sie nicht davon abbringen konnte, wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte.
„Dave, sag endlich, was los ist! Ich meine es ernst, dass ich unsere Eltern wecke. Das mit der Gang, kannst du Oma vielleicht erzählen…“, drängelte sie weiter.
„Ok, aber du darfst es niemals jemandem erzählen. Wir stecken, ohne Scheiß, in Lebensgefahr, wie Johnny sagen würde. Nein, es ist keine Gang. Wir stehen im Krieg mit Vampiren, die uns überwachen. Damals bei Oma und Opa haben wir bereits einen getötet. Er hatte versucht Eric auszusagen?“
Maria starrte mich fassungslos an. „Echt jetzt?“, fragte sie, ohne es zu glauben.
„Ich erzähle dir keinen Mist. Ich verspreche dir, dass es so ist. Und ich muss wieder raus, um meinen Brüdern zu helfen. Wir wissen, dass sie sich an unseren Autos zu schaffen machen werden. Du musst mir versprechen drinnen zu bleiben und nichts zu machen, wir erklären es dir morgen alles.“
„Ehrenwort?“, fragte Maria und ich schlug in die mir dargebotenen Hand ein.
„Warte noch…“, sagte Maria und hielt mich am Pullover fest „… du musst dein Handy anmachen und auf lautlos stellen und mich anrufen. Dann kann ich die ganze Zeit mithören, was ihr macht und im Notfall Hilfe holen.“
„Weißt du was das kostet…?“, entgegnete ich.
Doch Maria ließ mich gar nicht ausreden: „Ja, wir nehmen die tragbaren Festnetztelefone einfach und ich rufe an. Dann stellen wir auf lautlos und ich höre alles mit.“
„Na gut!“, stimmte ich zu und wir holten zwei kabellose Telefone, von denen ich mir eins an den Gürtel schnallte, nachdem ich sicher war, dass der Ton ausgestellt war.
Maria wünschte mir viel Glück und ließ mich dann gehen. Ich schloss die Türe leise hinter mir und schlich dann durch den Garten zu meinen Brüdern.
„Ich…“, wollte ich sagen, da hielt Johnny mir den Mund zu, obwohl ich geflüstert hatte.
Er zeigte in die Schwärze der Nacht vor uns. Erst konnte ich nichts erkennen, doch dann sah ich eine Gestalt, die über die Straße ging. Sie trug einen langen Mantel und kam einfach so auf unser Grundstück spaziert. Mit einer schnellen Handbewegung öffnete sie das Gartentor und schritt dann in die Fahrradgarage, um den Knopf für das Garagentor zu bedienen. Ich bekam wirklich Angst, als mir klar wurde, wie gut sich der Feind bei uns auskannte. Ja, insgeheim hatte ich sogar gehofft, dass niemand kommen würde, aber hier war der lebende Beweis vor uns, dass alles wahr war, vor dem ich mich so fürchtete.

Johnny zitterte am ganzen Leib vor Erregung, man sah ihm an, dass er am liebsten sofort losgesprintet wäre, um sich auf den Typen zu werfen. Eric legte ihm die Hand auf die Schulter, um ihn zu beruhigen. Angespannt beobachteten wir, wie das Garagentor nach oben fuhr und der Typ seelenruhig zu den Autos spazierte. Er holte einen kleinen spitzen Gegenstand aus der Tasche und kniete sich neben die rechte Türe des rechten Autos. Wir sahen einen Funken aus dem Dunkel der Garage und einen Knall, der von einem kurzen, röchelnden Schrei unterbrochen wurde.
Jetzt konnte nichts und niemand Johnny halten. Er sprintete los und warf sich auf den leblosen Körper. Wir folgten ihm, doch als wir da waren, hielt er dem bewegungslosen Mann die Nagelpistole mit der einen und den Dolch mit der anderen unter die Kehle. „Die Handschellen!“, befahl er Eric, während ich die Garagentüre von innen schloss und das Licht anmachte.
Eric schnallte dem Typen die Handschellen um Hände und sogar um die Knöchel und zog ihm einen Sack über das Gesicht, dass ich nur für einen Augenblick sehen konnte: Es war ein Mann mit Kaputze, der höchstens zehn Jahre älter sein konnte, als ich. Er hatte gerötete Wangen und seine Haut wies eine rote Stelle auf, wo er das Auto berührt hatte.
„Von nun an, verstellt eure Stimmen!“, befahl Johnny und drehte den immer noch leblosen Körper auf den Rücken, um ihm den Fuß auf die Brust zu setzen.
„Nicht töten!“, zischte ich und setzte mich neben den Kerl, um ihm mit einer Spritze Blut abzunehmen. Ich hatte vorsichtshalber eine mitgenommen, da es möglicherweise die erste Blutprobe eines Vampirs sein konnte, die je genommen wurde. Dann schob ich den Sack ein wenig bis unter die Augen nach oben, um das Gesicht betrachten zu können. Was ich sah, verschlug mir den Atem: „„Er hat das Plummer-Vinson-Syndrom. Seine Mundwinkel sind eingerissen, er ist blass und hat brüchige Nägel. Wisst ihr, was das heißt?“, fragte ich geflüstert.
Meine Brüder schüttelten den Kopf. „Er ist kein Vampir…“, erklärte ich „…, denn er leidet unter chronischem Eisenmangel. Wer sich von Blut ernährt, der wird so etwas niemals haben, sondern vorher an allem anderen sterben oder verhungern, nur nicht an Eisenmangel…. und er atmet noch.
 „Meine Güte, dann arbeitet er für die, weil er hofft, dass die ihn verwandeln…“, sagte Eric und fuhr sich ratlos durchs Haar.

„Ganz recht!“, sagte eine durchringende Stimme und ließ uns aufschrecken. Die Stimme war nicht von dem Ohnmächtigen gekommen, sondern von wo anders aus der Garage. Eine Gestalt erhob sich hinter dem linken Auto und hatte in jeder Hand eine P8-Pistole, die er auf uns richtete.
„Eric, zieh den Stecker raus und Johnny und Dave, legt die Waffen runter!“, sagte er und kam hinter dem Auto hervor. Es war ein dunkelhaariger Mann von etwa einem Meter achtzig Größe, der groteskerweise einen Anzug und einen roten Schlips trug. Seine Haut war blassgelber Haut, was für Gelbsucht und damit für zu viele Hämoglobin-Abbauprodukte spricht.  Zuviel Blut ist für die meisten Lebewesen schädlich, so dass ein Problem mit der Blutverdauung nur logisch ist…
Das miese Grinsen des Kerls, der zusätzlich an seinen spitzen Eckzähnen zweifellos als Vampir zu erkennen war, beendeten meine Gedanken, die wie wild herumflogen und alles taten, außer mir einen Hinweis zu geben, wie wir uns retten konnten.
„Nun, ihr habt euch mit den falschen angelegt. Ihr habt wirklich gedacht, mir eine Nachricht schreiben zu können, deren Absender das System ist? Ich bin das System dieser Stadt und ihr werdet jedenfalls nicht diejenigen sein, die das verändern, ihr Wichte…“

Urplötzlich öffnete sich das Garagentor und der Vampire fuhr herum, ohne jedoch seine Waffen von uns abzuwenden. „Was zum Henker soll das?“, fragte er und zielte mit der rechten Knarre nach Eric.
Man hörte ein Knacken und dann meldete sich eine Frauenstimme aus einem Telefon: „Da liegst du falsch, du Monster. Lass meine Brüder in Ruhe, oder ich schicke die Tonaufnahmen per Email an sämtliche Polizeistationen des Landes! Ich habe alles aufgenommen!“

„Maria!“, entfuhr es mir, als ich begriff, dass sie durch das Telefon mit uns sprach. Jetzt brachte sich unsere Schwester auch noch in Schwierigkeiten…
„Ach, die kleine Maria, wie süß.“, zischte der Vampir und schob mit dem Fuß unsere Waffen zur Seite:  „…Kind, weißt du denn nicht, wie lange es dauert, bis eine solch große Datei verschickt ist. Bis dahin habe ich deine gesamte Sippe ausgerottet…“
Maria antwortete wieder durch das Telefon, während wie bewegungsunfähig vor dem Vampir standen und die Hände in die Höhe hielten: „Das mag sein. Aber ich habe die erste Hälfte des Gesprächs gerade auf einen Stick gezogen und den versteckt. Und jetzt gerade öffne ich eine Email an die Polizei und habe auch das Handy in der Hand, um sie jederzeit anzurufen. In der Email steh auch wo der Stick ist, also du Blutsauger, lass meine Brüder frei!“

Der Vampir trat langsam zu mir heran und zog mit der einen Hand das Telefon aus meinem Gürtel, ohne jedoch die Pistolen loszulassen. Er hielt sich das Telefon vor den Mund und brüllte: „Ich werde deine Brüder mitnehmen und wenn du der Polizei nichts sagst, lasse ich sie vielleicht leben. Ein Anruf von mir und ich weiß, ob du dich bei der Polizei gemeldet hast. Und wenn du das tust, sind deine Brüder tot. Merk dir das!“
Er warf das Telefon auf den Boden und zerstörte es mit einem Tritt. Dann winkte er mit der Pistole auf das Auto und befahl: „Ihr werdet meinen Diener in den Kofferraum legen und dann einsteigen. Dave, du fährst, Eric ist mir da zu gewieft!“

Wir sahen ein, dass wir keine Chance hatten uns zu wehren und gehorchten, während uns das Herz wie wild pochte. Johnny und Eric legten den regungslosen Shih in den Kofferraum und mussten dann zusammen auf dem Beifahrersitz Platz nehmen. Der Vampir stieg auf den Rücksitz und befahl mir, dass ich mich hinters Steuer setzen sollte. Ich gehorchte und steckte zitternd den Autoschlüssel ins Schloss, der an meinem Schlüsselbund befestigt war. Ich spürte das kühle Metall einer P8 im Nacken, während ich den Motor anließ. Johnny musste halb auf dem Schoß von Eric sitzen, um nicht herunter zu fallen. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass auch die beiden eine Pistole im Nacken hatten.
„Los fahren! Du hältst dich an meine Anweisungen!“, zischte der Vampir und ich rollte im Rückwärtsgang aus der Garage.
„Licht an!“, befahl der Vampir und wies mich auf meinen beliebten Fehler hin, das Licht zu vergessen. Selbst die Befehle des Führerscheinprüfers waren mir nicht so verhasst gewesen, wie die Stimme dieses Monsters, das uns umbringen wollte. Ich schlug das Lenkrad ein und wir fuhren los. Die Sekunden dehnten sich zu Stunden, während uns der Vampir nach links auf die Straße navigierte, unsere Vorstadt in die Richtung des nächsten Dörfchens verließ.
Ich sah beim Fahren, dass meine Brüder ebenfalls vor Angst zitterten, nur führte das bei ihnen nicht zum Ruckeln beim Schalten oder der leichten Schlagenlinie, mit der ich unser Dorf, das als Vorstadt zur Universitätsstadt gehörte, verließ. Wir fuhren an dem Waldstück vorbei, wo wir Softair spielten und ich verabschiedete mich im Geist schon von meiner Familie. Nach einer Wiese befahl mir der Vampir, in einen Waldweg einzubiegen. Doch eine Schranke hinderte mich am Weiterfahren und so musste ich anhalten, bevor wir dieses ehemalige Militärgelände, und jetzige Naturschutzgebiet mit vielen Teichen, durchfahren konnten.
„Aussteigen!“, zischte der Vampir und sprang so schnell aus dem Auto, dass wir gar nicht reagieren konnten.
Er stellte sich vor den Wagen und richtete die Pistolen so auf uns, dass wir an Flucht gar nicht zu denken brauchten. Eine Stimme sagte mir, dass er uns hier im Wald exekutieren wollte, um nicht das Auto mit Blut zu bespritzen. Wahrscheinlich würde er das so schnell, wie möglich tun, um sich danach Maria und vielleicht den Rest der Familie vorzunehmen.
Während ich mich, wie befohlen, neben meine Brüder vor den Vampir stellte, fuhren mir alle möglichen Gedanken durch den Kopf, zum Beispiel, der, dass ich noch nicht bereit zum Sterben war. Und, was würde dann geschehen?
Ich erinnerte mich daran, wie ich mich mit Jeri immer mal wieder über das Thema unterhalten hatte. Wir kannten uns aus der Schule und hielten regelmäßig Kontakt, auch wenn er mittlerweile in der Nähe meiner Großeltern Theologie studierte. Obwohl ich sonst mit dem ganzen Krams vonwegen Glauben und so nicht viel anfangen konnte, wünschte ich mir doch gerade, dass ich da so sicher sein könnte, wie Jeri. Der hatte immer gesagt: „Dave, du bist wie jeder Mensch ein Sünder, weil du falsche Dinge getan hast, die dich von Gott trennen. Das gilt auch für mich. Da Gott aber alle Menschen liebt, sandte er seinen Sohn Jesus Christus, der am Kreuz für deine und meine Schuld starb. Jesus erstand an Ostern wieder vom Tod auf und jeder das glaubt, kann ewiges Leben im Himmel haben, statt in die Hölle zu kommen.“
„Glaube ich aber nicht…“, hatte ich immer gesagt und das Thema damit beendet. Aber während ich in den Lauf der P8 sah, wünschte ich mir, es glauben zu können. Jeri hatte Glück, selbst wenn er Unrecht haben solle, was ich ihm aber leider nie beweisen konnte, da ich dafür keine Argumente hatte – dann vertraute er doch in jeder Alge auf einen Gott, von dem er glaubt, dass er immer bei ihm ist. Wie gerne, hätte ich das gerade auch so glauben können; aber als Biologe glaubt man einfach nicht daran, dass die Welt von jemandem geschaffen wurde…

„Bereiten wir dem ganzen Spaß ein Ende!“, sagte der Vampir und grinste uns diabolisch an.
Einen Schuss später lag der Vampir schreiend am Boden und ein großer Mann kam von der Straße her zu uns gelaufen. Im Lauf legte er einen weiteren Bolz auf seine Pistolenarmbrust und legte sie auf den Vampir an, der offensichtlich noch nicht gestorben war.

Ich jubelte, als ich in der großen, schlanken Gestalt meinen Freund Thoralf erkannte. Mit wippendem Schritt und entschlossenem Gesicht stellte er sich vor den Vampir und richtete die Armbrust auf den Vampir, während er mit der Linken eine Axt aus seinem Gürtel zog. „Das Passwort!“, brüllte er den Vampir an, der sich mit dem Bolzen in der Brust auf dem Boden krümmte und leise röchelte.
Johnny löste sich als erster aus der Erstarrung, zog sein Taschenmesser und stellte sich neben Thoralf. Ich nickte ihm nur kurz zu und schaute wie gebannt auf das verzogene Gesicht des Vampirs.
„Das Passwort, habe ich gesagt!“, wiederholte er und trat dem Vampir in den Bauch.
Der Blutsauger schrie auf und hauchte dann eine Kombination von Zahlen und Buchstaben: „C4HI8A15JN16G23SH41IH.“ Eric notierte die Zahlen mit seinem iPhone, dass er aus der Hosentasche gezogen hatte – er ging nirgendwohin ohne das Teil – und probierte sie aus. „Lüge!“, sagte er und kam ebenfalls näher.
„Ok, fangen wir mit deinen Fingernägeln an!“, sagte Thoralf, gab mir die Armbrust und kniete sich mit der scharfen Axt neben den Vampir.
„Zweiundvierzig!“, zischte der Vampir und versuchte, sich von Thoralf wegzudrehen.
„Bitte was?“, fragte Thoralf und zog die gekrümmte rechte Hand des Vampirs zu sich heran, während er die Axt hob.
 „Zweiundvierzig, statt einundvierzig!“, antwortete der Vampir, während ihm die Angst ins Gesicht geschrieben stand.
„Ok…“, sagte Eric und las die Zahlen und Buchstaben vor, die er eintippte „…C4HI8A15JN16G23SH42IH.“
Dann bestätigte er mit Enter und jubelte leise: „Es geht. Wir sind drin!“
„Zschtuck-ck-ck!“, machte der Bolzen, der von der Sehen der Pistolenarmbrust mit einer Kraft über 100 Pfund in das Herz des Blutsaugers sauste. Der Vampir tat seinen letzten Atemzug.
Thoralf hängte sich Armbrust und Axt wieder an den Gürtel und warf sich die Leiche über die Schulter. „Das wars, meine lieben Dreien!“, sagte er und stapfte an unserem Auto vorbei zur Straße.
Er hatte in einiger Entfernung einen alten Wagen geparkt, den er sich wohl erst während seiner Abwesenheit zugelegt hatte. Wir folgten ihm. Johnny war ganz aufgebracht: „Mensch, Thoralf, Dave hat uns alles erzählt. Wie kann es sein, dass du überlebt hast? Bist du etwa, die Nummer Sechs auf der Liste?“
„Das bin ich.“, nickte Thoralf. „Aber das sind alles keine Fragen für jetzt. Ich werde die Leiche entsorgen und mich auch um den Shih in eurem Kofferraum kümmern.“
Ich öffnete ihm den Kofferraum, und er schob den toten Vampir hinein. Dann kam er zu unserem Auto, um auch den Shih mitzunehmen.
„Mensch, Thoralf, warum hast du dich denn nicht gemeldet?“, fragte ich und wunderte mich, dass mein Freund so schweigsam geworden war.
„Das wäre viel zu gefährlich gewesen. Sie jagen mich nun schon seit sieben Monaten, aber ich war ihnen immer einen Schritt voraus. Du weißt ja, was für ein Fantasy-Fan ich war, so dass ich alles kenne, was jemals über Vampire geschrieben wurde.“, antwortete er und schloss den Kofferraum.

Dann legte er mir die Hand auf die Schulter und sagte: „Aber für mehr ist keine Zeit. Ihr müsst sofort zurück und das System löschen. Eric wird eine Weile dafür brauchen. Ich wäre euch sehr dankbar, wenn mein Name dann auch nicht mehr auftauchen würde.“
„Ich werds versuchen, auch wenn man ab Stufe fünf meines Wissens nach auch auf Länderebene geführt wird.“, sagte Eric.
Thoralf zog seinen Autoschlüssel. Dann sagte er: „Das mag sein, aber versuchs einfach. Und danach besuchst du die Website am besten nie mehr! Ihr könnt das, was ich nie wieder können werde: Euer Leben leben!“
„Du glaubst gar nicht, wie dankbar wir dir sind, dass du uns das Leben gerettet hast!“, sagte ich und gab ihm die Hand.
Thoralf schüttelte den Kopf und öffnete seine Wagentür. „Vergesst es, Jungs. Ihr habt mir damals meinen Killer vom Hals geschafft. Soweit ich weiß, hat er für euch nur einen kurzen Umweg gemacht. Seitdem er tot ist, gab es keinen, der euch mit mir in Verbindung gebracht hat, so dass man euch nur eine Drei gegeben hat. Bei mir hat der Mord an einem Vampir immerhin zu einer Sechs geholfen, aber das klären wir nicht mehr heute. Denkt dran, wenn sich irgendwann mal ein Mr. Lost bei euch meldet, dann werde ich das sein…“, sagte er und stieg ein.
Ich kam nicht mal dazu, ihm alles Gute zu wünschen, da hatte er schon den Motor gestartet und mit quietschenden Reifen die Einfahrt verlassen. Wir beeilten uns ebenfalls einzusteigen und schnellstmöglich nach Hause zu fahren. Maria wusste schon über Skype von Erics iPhone, dass alles gut ausgegangen war und erwartete uns.

Zuhause angekommen sammelten wir schnell unsere Waffen aus der Garage und verkrochen uns mit Maria in Erics Zimmer. Der begann sofort, sich in das System einzuloggen und die Datenbanken nach uns und Thoralf zu durchforsten.
Währenddessen ließ sich Maria von Johnny und mir über alles Erlebte aufklären. Johnny wirkte ein wenig bedrückt, während ich den Schock noch nicht richtig verarbeitet hatte. Immerhin konnten wir Maria dazu bringen, uns nochmals zu versprechen, dass sie keinem etwas davon erzählen würde, bis wir es uns völlig geschafft in Decken auf Matratzen, die wir in Erics Zimmer schleiften, gemütlich zu machen. Was für eine Nacht!!!

Soviel bis hierher. Ich werde nur so viel verraten: Wir sind endgültig aus der Datenbank gelöscht. Was für ein Glück! Hoffentlich werden wir das Ganze nun endlich vergessen können – so gut es eben geht. Ich wünsche Thoralf alles Gute für seine Flucht, sollte er diese Website einmal lesen.

Grüße
The Runner

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