14. Blogeintrag
Die ersten Tests
Liebe Leser, wie ihr seht, gibt es
immer Mal Antworten zu meinem Blog und ich werde sie zulassen, wenn sie die
Sicherheit der betroffenen Personen nicht gefährden. Soviel dazu. Nun aber mehr
darüber, was weiter geschehen ist. Warum meine Fortsetzung so lange gebraucht
hat, kann und darf ich leider gerade nicht sagen…
Wir diskutierten lange gemeinsam, wie wir Marc am besten untersuchen
könnten. Schließlich kam mir die Idee, dass wir die Sache beim Schopf fassen
mussten. „Marc, ich werde verschiedene Gewebeproben von dir nehmen und testen
und mikroskopisch untersuchen müssen. Vor allem müssen wir feststellen, welche
Komponente deiner Verdauung kaputt und daher auf vorverdaute Nahrung angewiesen
ist. Wenn es für dich in Ordnung ist, dann werden wir dir gewöhnliche Nahrung
festgeben, um am Stuhl festzustellen, was genau daran nicht zersetzt worden
ist.“, sagte ich.
Marc sah mich etwas verwundert an. Doch dann nickte er: „Ich habe normale
Nahrung schon probiert, aber sie sättigt mich nicht. Sie füllt den Magen, aber
ich merke, wie ich schwächer werde und mein Bauch sich zusammenkrampft.“
Das brachte mich auf eine heiße Spur: „Heißt das also, dass du schon einige
Zeit nach dem Essen die Auswirkungen spürst?“
Wieder stimmte mir Marc zu: „Ja, so ist es. Schon nach wenigen Stunden. Es
fühlt sich an, als hätte ich dann Steine im Magen.“
Ich nickte und schloss die Augen, um einen Moment nachzudenken. Dann
antwortete ich: „Nun, das heißt also, das Problem entsteht an dem Punkt, wenn
die Vorverdauung im Magen beendet ist und die eigentliche Verdauung im
Dünndarm, genauergesagt im Zwölffingerdarm geschehen sollte. Hier könnte also
die Störung liegen. Pepsin spaltet Proteine in kleinere Stücke, die dann
verdaut werden können. Da im Blut ja nicht nur Aminosäuren, sondern auch
kleinere Peptide, d.as heißt Oligopeptide vorliegen, könnten diese aufgenommen
werden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Pepsin zu hemmen. Es ist
temperaturunempflindlich und funktioniert noch bis 60 Grad, also fällt dieser
Faktor der Enzymregulation weg. Moment, ich muss kurz überlegen, welche
Hemmfaktoren ein Enzym noch ausschalten können.“
Jeri wartete gar nicht ab, sondern wiederholte, was wir in unserem
brillanten Bioleistungskurs gelernt hatten: „Temperatur, pH-Wert,
Substratkonzentration, kompetitive Hemmung, allosterische Hemmung,
Schwermetalle und Cyanidionen.“
Ich runzelte die Stirn: „Respekt, Jeri. Vielleicht hättest du doch an
meiner Stelle Bio studieren sollen. Also, wählen wir das Ausschlussverfahren.
Eine kompetitive Hemmung wäre nur möglich, wenn man mit der Nahrung ähnliche
Aminosäuren aufnähme, die die Enzyme blockieren. Das fällt also weg.
Schwermetalle würde man schnell nachweisen und sie hätten noch viel schlimmere
Folgen. Am Substrat, also an der Nahrung kann es ebenso wenig liegen, wie an
der Temperatur. Bleiben nur noch allosterische Hemmung und pH-Wert. Welche
Hemmstoffe Pepsin zerstören können, weiß ich nicht, aber über den pH-Wert kann
ich was sagen.
Im Magen ist Pepsin normalerweise
bei einem pH-Optimum von 1,5 aktiv, das geht auch bis 3 noch gut. Aber ab einem
pH-Wert von 6 wird die räumliche Struktur des Pepsins irreversibel zerstört. Da
sind einfach zu wenig H+-Ionen vorhanden und die Struktur verschiebt
sich. Man muss sich vorstellen, dass bei einem pH von 1 100.000-mal mehr
Wasserstoffprotonen vorliegen als bei einem pH von 6. Das Ganze ist dekadisch.“
Jetzt staunte Jeri nicht schlecht. „Du weißt ja doch wieder mehr als ich.
Aber darum geht es nicht. Wäre es nicht möglich, den pH-Wert des Magens zu
untersuchen?“
Ich ging auf und ab, während ich überlegte. „Nun ja, man könnte das als
Arzt sehr leicht tun. Sonde rein und fertig. Aber bei uns wird das nicht so
einfach gehen, befürchte ich. Man könnte also entweder Abführmittel verwenden,
oder einen Brechreiz stimulieren.“
„Brechreiz. Abführungen würden den pH im Darmbereich völlig verfälschen.“,
war Jeris knappe Antwort.
Und damit hatte er recht! „Ok, das stimmt. Also Brechreiz. Meinetwegen auch
mit einem pH-neutralen Brechmittel. So ein Emetikum, also Brechmittel ist für
Menschen mit Magenvorerkrankungen allerdings risikobehaftet. Marc, wärst du
überhaupt dazu bereit?“
Johnny hatte sich offensichtlich schon von dem Schock erholt, dass wir
hinter seinen kranken Plan gekommen waren. Er schnitt Marc das Wort ab:
„Scheiße, Mann, wir wollen rausfinden, wie ein Vampir biologisch tickt und du fragst
den Blutsauger um Erlaubnis? Er muss einfach. Reizzähne auseinander und rein
das Zeugs!“
Marc sah Johnny wütend von unten an. Aber er ließ ihn ausreden. Dann sagte
er: „In Ordnung. Ich würde es sowieso machen.“
„Gut, dann schlage ich vor, wir nehmen Kupfersulfat. Da komme ich sehr
einfach ran. Das Zeugs steht auch in jedem Schullabor rum.“, erklärte ich.
„Und wie kriegst du dann raus, ob in dem Erbrochenen der pH in Ordnung
ist?“, fragte Eric skeptisch und tippte auf seinem iPhone herum. Wahrscheinlich
suchte er schon im Netz.
„Dazu gibt es Indikatoren. Das sind chemische Stoffe, die selbst leicht
basisch oder sauer sind und daher Protonen aufnehmen und wieder abgeben
können. So ändert sich ihre räumliche Struktur, ihr Energieniveau, damit ihre
Lichtreflexion und schließlich ihre Farbe. An solche Indikatoren kommt man auch
sehr einfach ran. Ich muss morgen im Praktikum nur versehentlich den falschen
Schrank öffnen und mir etwas in die Tasche fallen lassen, dann haben wir alles.
Ich werde verschiedene Indikatoren mitbringen, damit wir sicher gehen können.
Bromthymolblau wäre zum Beispiel geeignet. Ab einem pH-Wert von 5,8 schlägt er
um von gelb über grün nach blau. Sollte eine nur leichte Grünfärbung zu sehen
sein, dann hieße es, dass Marcs Magen nicht ansatzweise sauer ist. Chronische Untersäuerung
des Magens birgt neben mangelnder Ernährung auch eine höhere Anfälligkeit gegen
Krankheitserreger. Aber das werden wir alles rausbekommen. Ich hole also
Universalindikatorpapier und Bromthylmolblau. Aber selbst eine gewisse
Untersäuerung kann den Anteil des Verdauten schon zu gering halten. Aus dem
Grund nehme ich noch Methylorange mit, was den pH zwischen 3,1 und 4,4 durch
den Umschlag von rot auf gelborange anzeigt. Und um absolut sicher zu gehen,
hole ich noch Kongorot, das uns den pH von 5,2 als Grenze anzeigt, sollte er
über- oder unterschritten werden.“
Johnny war ganz hippelig gewesen
und hatte meinen biochemischen Erklärungen kaum zugehört. „Und wann wissen wir
jetzt genaueres?“, fragte er voller Ungeduld.
„Immer langsam. Ich kann heute
Abend mit meinem einfachen Mikroskop schon mal Zellproben untersuchen, werde
aber erst morgen mit den guten Zeiss-Mikroskopen und ein wenig Immersionsöl im
Uni-Labor die Sache genauer prüfen können. Wenn ich morgen alle Chemikalien
dabei habe, dann können wir den pH-Wert untersuchen. Da gibt es zwei
Möglichkeiten: Entweder er ist das Problem, oder nicht. Ich hoffe stark auf das
erste, da die Chance, genau den richtigen Hemmstoff für das richtige Enzym zu
finden, sehr langwierig sein kann. Ich habe auch nicht wirklich die Mittel
dazu. Vielleicht müsste man die komplette DNA sequenzieren und das würde 10.000
Euro und lange Zeit kosten…“
„Ok, das klingt wie ein Plan.
Also an die Arbeit. Ich werde mit Jeri auf unseren Freund aufpassen und
währenddessen noch ein bisschen recherchieren. Vielleicht kann ich mit Marcs
Hilfe noch tiefer in das System von Chiang-Shih eindringen. Johnny wird sich
damit beschäftigen, das Haus zu bewachen, vielleicht weiß ja jemand, dass wir
Marc haben und Dave nimmt sofort ein paar Proben und setzt sich ans Mikro. Und
heute Nacht werden wir alle gemeinsam auf Matratzen hier unten schlafen. Für
den Fall, das was passiert.“, sagte Eric und sah Marc dabei intensiv in die
Augen.
Gesagt getan. Johnny verließ grummelnd
den Keller. Sicherlich würde er sich wieder ein ganzes Waffenarsenal umhängen,
wenn er draußen unterwegs war.
Mit einer Pinzette und einem
Wattestäbchen nahm ich ein paar Proben von Marc, der mich daran nicht hinderte,
und holte mein kleines, batteriebetriebenes Mikroskop in den Keller herunter.
Dann machte ich mich daran, die Zellen bestmöglich zu untersuchen. Jeri holte
die im Haus befindlichen Laptops herunter und surfte mit Eric, um nach
Antworten zu forschen. So verging die Zeit, bis es schließlich spät in der
Nacht war…
Irgendwann waren wir zu müde und
so trafen wir uns zu einer letzten Besprechung, bevor wir uns zu Ruhe legen würden.
Jeri war ganz begeistert: „Guckt mal diese Website an. Das ist ja fast genau
das, was Dave vermutet hat.“
Er zeigte mir die Website und ich
las erstaunt, wie sehr meine Vermutungen über die biologischen Zusammenhänge
ins Schwarze getroffen hatten. Jetzt war nur noch zu klären, ob dies alles bei
Marc zutraf oder nicht.
Die Website: http://josef-stocker.de/magensauremangel.pdf
So, hier muss ich aufgrund der Zeit Schluss machen. Ich werde wirklich
schreiben, sobald es geht. Nur schonmal ein Hinweis: Alle Tests, die ich mit
Marcs Zellproben und Knoblauch an diesem Abend durchgeführt habe, waren
negativ…
Grüße von Dave
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